Bischof von Odessa: „Wir haben die Hoffnung nicht verloren“
Mario Galgano - Vatikanstadt
Die Nächte in Odessa werden oft von Explosionen zerrissen. „Zuletzt stand die Stadt massiv unter Beschuss“, berichtet Bischof Szyrokoradiuk. „Gott sei Dank gibt es ein gutes Verteidigungssystem, aber nicht alle Drohnen konnten abgewehrt werden. Einige haben getroffen.“ Wohnblöcke standen in Flammen, doch in dieser Nacht gab es immerhin keine Toten – eine kleine Erleichterung inmitten der Zerstörung.
Der Krieg hinterlässt tiefe Wunden. „Es ist das Schwierigste, zu einer Beerdigung zu gehen“, erzählt der Bischof. „Vor kurzem musste ich eine Familie trösten, die bereits den zweiten Sohn verloren hat. Sechs Kinder hatten sie – nun sind zwei tot. Sie waren erst 24 Jahre alt.“ Solche Momente seien schwer zu ertragen - besonders, wenn Witwen und Kinder nach dem ,Warum?` fragten.
Die Kirche als Ort der Hoffnung und Hilfe
Gerade in dieser Zeit sei die Kirche für viele Menschen ein Halt. „Wir haben täglich drei Heilige Messen. Die Menschen kommen, um gemeinsam zu beten – für ihre Verstorbenen, für die Opfer des Krieges“, so der Bischof. Neben der spirituellen Unterstützung leistet die Kirche auch ganz praktische Hilfe.
„Zweimal pro Woche verteilen wir Lebensmittel an Bedürftige. Caritas organisiert größere Hilfsprojekte, repariert Fenster und Türen, hilft beim Wiederaufbau.“ Die katholische Kirche, so betont Szyrokoradiuk, sei mehr als ein Ort des Gebets – sie sei eine aktive Kraft, die Hoffnung spendet. „Viele Menschen haben in diesen drei Jahren die Hoffnung verloren. Doch die Kirche tut alles, um sie zu bewahren.“
Kann es Frieden geben?
Mit Blick auf mögliche Friedensverhandlungen zeigt sich Bischof Szyrokoradiuk skeptisch. „Wir dürfen nicht auf große Männer vertrauen, die Frieden versprechen. Unsere einzige Hoffnung ist Gott“, sagt er. Besonders mit Blick auf Russlands Präsident Wladimir Putin äußert er Zweifel: „Wie kann man jemandem vertrauen, der diesen Krieg begonnen hat? Wie kann man einem Kriegsverbrecher einen Vertrag anvertrauen?“
Er warnt davor, sich falschen Illusionen hinzugeben. „Heute ist es die Ukraine, morgen könnten Polen oder das Baltikum an der Reihe sein. Das ist kein lokaler Konflikt, es ist eine Bedrohung für ganz Europa.“ Dennoch hofft er auf eine geeinte internationale Gemeinschaft, die Russland Grenzen setzt.
Die Rolle des Vatikans und der weltweiten Kirche
Trotz aller Herausforderungen erfährt die Ukraine große Unterstützung von der Weltkirche. „Der Vatikan hilft von Anfang an“, berichtet der Bischof. „Kardinal Krajewski war mehrfach hier, humanitäre Hilfe wird regelmäßig geliefert, Kriegsgefangene werden durch diplomatische Vermittlung freigelassen.“
Auch Hilfswerke wie Renovabis, Kirche in Not oder Caritas aus Deutschland, Österreich und Italien stehen der Ukraine bei. „Dank dieser Hilfe müssen unsere Leute nicht hungern. Auch bei den Stromausfällen helfen uns Generatoren beim Überleben“, sagt Szyrokoradiuk dankbar.
„Gott ist mit uns“ – Die spirituelle Dimension des Krieges
Der Krieg hat nicht nur Zerstörung gebracht, sondern auch den Glauben vieler Menschen gestärkt. „Wir sind durch diese Jahre gereift“, sagt der Bischof. „Wir hoffen mehr auf Gott als früher.“ Immer wieder erlebe er Zeichen der göttlichen Hilfe – Menschen, die gerettet wurden, Gebete, die erhört wurden.
„Ist es nicht ein Wunder, dass ein kleines Land wie die Ukraine sich seit drei Jahren gegen eine Weltmacht verteidigt?“, fragt er. „Wir haben vielleicht Territorium verloren, aber nicht unsere Freiheit. Und wir haben unsere Hoffnung nicht verloren.“
Bischof Szyrokoradiuk beendet das Gespräch mit einem eindringlichen Aufruf: „Betet für uns. Betet für unser Volk, für unsere Verwundeten, für alle, die unter diesem Krieg leiden. Gott segne euch.“
(radio horeb)
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