Menschenrechtler in Myanmar: „Kein Gebiet wurde verschont“
Mario Galgano und Francesca Merlo - Vatikanstadt
Die Bilder, die aus Myanmar und Thailand nach dem schweren Erdbeben der Stärke 7,7 vom Freitag auftauchen, zeigen eine Landschaft der Verwüstung. Die Erdstöße, gefolgt von vier Nachbeben, erschütterten das Land von den zentralen Regionen Mandalay und Naypyidaw bis hin zum südlichen Bundesstaat Sagaing. Der Einsturz von Krankenhäusern, die Zerstörung von Infrastruktur und die massiven Schäden an Wohnhäusern haben ganze Gemeinden ins Chaos gestürzt.
Der Bedarf an humanitärer Hilfe ist enorm, doch die bereits bestehenden politischen und logistischen Hürden erschweren den Zugang zu den Betroffenen. Mark Farmaner, Direktor der Menschenrechtsorganisation Burma Campaign UK, beschreibt in einem Interview mit Vatican News die Komplexität der Lage: „Wir erhalten immer noch Berichte aus verschiedenen Teilen des Landes, aber es ist klar, dass kein Gebiet verschont geblieben ist.“ Besonders dramatisch sei die Situation für Menschen in Bambushütten und Flüchtlingslagern an der Grenze zu Thailand, die den Erdstößen schutzlos ausgeliefert waren.
„Das Militär wird niemals genaue Zahlen veröffentlichen“
Farmaner weist zudem auf die Schwierigkeiten hin, das tatsächliche Ausmaß der Katastrophe einzuschätzen. „Das Militär wird niemals genaue Zahlen veröffentlichen“, erklärt er. Allerdings habe die Junta in vielen Landesteilen die Kontrolle verloren, wodurch sich die Krisenbewältigung als besonders herausfordernd erweise: „Mit mehreren parallel existierenden Verwaltungsstrukturen ist eine koordinierte Reaktion nahezu unmöglich.“
Besonders gefährdet: Flüchtlinge und Vertriebene
Die Katastrophe trifft vor allem die Schwächsten der Gesellschaft – insbesondere Flüchtlinge, die bereits seit Jahren unter den Folgen der Militärdiktatur leiden. Seit dem Putsch von 2021 wurden hunderttausende Menschen vertrieben und leben nun unter prekären Bedingungen. Besonders in den bergigen Regionen Ost-Myanmars könnte das Erdbeben langfristig verheerende Folgen haben, da die jährlichen Monsunregen die Gefahr von Erdrutschen zusätzlich erhöhen.
„Wir warten noch auf eine Bestätigung, aber die Lage ist äußerst besorgniserregend“, sagt Farmaner. Die Kommunikationssperren, die von der Militärregierung verhängt wurden, erschweren zudem die Verbreitung von Informationen sowie die Koordination von Hilfsmaßnahmen.
Militär blockiert humanitäre Hilfe
Zusätzlich zur Zerstörung erschwert die Militärregierung die Katastrophenhilfe durch strenge Restriktionen. „Die Junta verhängt einige der weltweit härtesten Beschränkungen für humanitäre Hilfe“, erklärt Farmaner. Dies bedeute, dass die Hilfe für die Betroffenen nur langsam ankomme – ein fataler Umstand, wenn tausende Menschen noch unter den Trümmern begraben seien.
Die politische Lage macht die internationale Hilfe zusätzlich kompliziert: Große Teile des Landes werden von Widerstandsgruppen und ethnischen Milizen kontrolliert, die sich gegen die Militärherrschaft stellen. „Es ist nicht möglich, über offizielle Regierungskanäle zu arbeiten“, so Farmaner. In einigen Erdbebengebieten bombardiert die Junta weiterhin Gebiete, die von oppositionellen Gruppen kontrolliert werden – selbst inmitten der Katastrophe. „Daher ist es unwahrscheinlich, dass internationale Hilfsorganisationen bereit sind, Teams in diese Gebiete zu entsenden.“
Daher müsse die Unterstützung kreativ organisiert werden: „Die finanzielle Hilfe muss vor allem über lokale Organisationen erfolgen“, erklärt Farmaner. „Man muss mit verschiedenen lokalen Verwaltungen und zivilgesellschaftlichen Netzwerken zusammenarbeiten, um die Menschen zu erreichen.“
Die Rolle der Kirche in der Katastrophenhilfe
Trotz aller Hindernisse gibt es Hoffnung. Besonders die Kirche könne eine zentrale Rolle bei der Katastrophenhilfe übernehmen. „Lokale Kirchen haben einen entscheidenden Vorteil“, betont Farmaner. „Das Militär kontrolliert sie weniger streng, sodass sie Zugang zu Gebieten haben, die für internationale Organisationen unerreichbar sind.“ Vor allem kleine, gemeindebasierte Initiativen könnten daher eine effektivere Hilfe leisten.
Die Tragödie ereignete sich zudem zu einem besonders kritischen Zeitpunkt: Während der Freitagsgebete am Ende des Ramadan waren viele Moscheen gut besucht. „Da die Junta den Bau und die Instandsetzung von Moscheen eingeschränkt hat, waren viele dieser Gebäude strukturell instabil“, erklärt Farmaner. Erste Berichte sprechen von zahlreichen Opfern in der muslimischen Gemeinschaft, mit möglicherweise bis zu 50 Toten in einer einzigen Moschee. „Wir warten noch auf eine endgültige Bestätigung dieser Zahlen, aber die Situation ist alarmierend.“
Papst Franziskus: Gebete für die Opfer
Papst Franziskus hat sein tiefes Mitgefühl für die Opfer der Katastrophe zum Ausdruck gebracht. In einer Botschaft betete er für die Toten und Verletzten sowie für die Rettungskräfte, die „unter extremen Bedingungen alles tun, um so viele Menschen wie möglich zu retten“.
(vatican news)
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.