Suche

Gesperrte Hauptschlagader in der Millionenmetropole Dar Es Salaam nach Demos Gesperrte Hauptschlagader in der Millionenmetropole Dar Es Salaam nach Demos  (AFP or licensors)

Tansania: Nach Wahlgewalt wächst Angst vor autoritärer Eskalation

In Tansania hält die Spannung nach den gewaltsam niedergeschlagenen Protesten im Zug der Wahl vom 29. Oktober an. Tausende Menschen starben oder verschwanden nach lokalen Medienangaben. Die katholischen Bischöfe verlangen eine unabhängige Untersuchung und eine neue Verfassung, wie die katholische italienische Agentur „Sir" berichtet.

Das ostafrikanische Land erlebt seit Wochen ein angespanntes politisches Klima. Nach Angaben kirchlicher und internationaler Beobachter reagierten Sicherheitskräfte mit massiver Gewalt auf Proteste gegen das Wahlergebnis. Unter den Opfern befinden sich auch Kinder. Am 9. Dezember, dem Unabhängigkeitstag des früheren Tanganyika, untersagten die Behörden landesweit alle Kundgebungen. In mehreren Städten sicherte das Militär die Straßen.

Auslöser der Proteste ist der Wahlausgang. Präsidentin Samia Suluhu Hassan erklärte sich mit 98 Prozent der Stimmen zur Siegerin. Die Wahlbeteiligung blieb nach Einschätzung von Beobachtern gering. Die Vereinten Nationen, die Europäische Union und die Afrikanische Union äußerten Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Urnengangs. Auch die katholische Kirche schloss sich der Kritik an.

„Die Nation ist verwundet“

Die katholische Bischofskonferenz von Tansania veröffentlichte am 15. November eine Erklärung auf Swahili. „Wir sind zutiefst betrübt über diese Situation und verurteilen diese brutalen und unmenschlichen Tötungen unserer jungen Menschen und anderer Personen“, schrieben die Bischöfe. Weiter heißt es: „Die Nation ist verwundet und hat ihre Ehre vor der internationalen Gemeinschaft verloren.“ Die Bischöfe beklagen seit Jahren „das Fehlen echter Demokratie bei der Wahl der Regierenden“. Wahlen erlaubten keine „faire, transparente, freie und glaubwürdige Konkurrenz“.

„Fehlen echter Demokratie bei der Wahl der Regierenden“

Besonders scharf kritisieren die Bischöfe den exzessiven Gewalteinsatz der Sicherheitskräfte. Sie verurteilen die Verweigerung medizinischer Hilfe für Verletzte sowie das Verbot von Begräbnissen, da viele Leichen verschwunden seien. Die Kirchenvertreter fordern die Führung der Sicherheitsorgane auf, Verantwortung zu übernehmen, und verlangen eine Untersuchung durch eine unabhängige Kommission. Zudem sprechen sie sich für eine neue Verfassung aus, um den Rechtsstaat wiederherzustellen.

Präsidentin Hassan weist die Vorwürfe zurück. Sie verteidigt das Vorgehen der Regierung und wirft der Bischofskonferenz vor, das Land spalten zu wollen. Auch internationale Organisationen kritisiert sie scharf und spricht von neokolonialer Einmischung.

Der Franziskanermissionar Paolo Boldrini, seit 40 Jahren in Tansania tätig, beschreibt die Lage gegenüber Sir drastisch. „Wir befinden uns in einer offen erklärten Diktatur“, sagt er. Am Unabhängigkeitstag seien in Iringa die Straßen leer oder vom Militär kontrolliert gewesen. Boldrini warnt zudem vor einer religiösen Zuspitzung. „Viele muslimische Gruppen, aber nicht alle, greifen die katholische Kirche als Feind des Friedens an“, berichtet er. Eine Politisierung religiöser Gegensätze gefährde Menschenleben und die wirtschaftliche Stabilität des Landes.

Skeptisch äußert sich der Missionar auch zur angekündigten Untersuchungskommission. Diese sei nicht unabhängig, da alle Mitglieder von der Präsidentin ernannt worden seien. Ohne Wahrheit und Verantwortungsübernahme bleibe jede ausgestreckte Hand unglaubwürdig.

Die Forderung nach einer neuen Verfassung hält Boldrini für zentral. Sie solle die Macht des Präsidenten begrenzen, der derzeit zentrale Gremien allein besetze und umfassende Immunität genieße. Die aktuelle Krise zeige, wie gefährlich diese Konzentration von Macht sei.

(sir - gs)

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

16. Dezember 2025, 11:31