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Pater Toni Elias mit einigen Einwohnern von Rmeich Pater Toni Elias mit einigen Einwohnern von Rmeich 

Libanon: Ein Pfarrer an der Grenze

Die Reise von Papst Leo XIV. vom 30. November bis zum 2. Dezember nach Beirut war für viele Libanesen und insbesondere für die Bewohner von Rmeich ein Hoffnungsschimmer. Pater Toni Elias ist Pfarrer in Rmeich, einer libanesischen Enklave direkt an der Grenze zu Israel. „Wir leben in Unsicherheit über die Zukunft. Wir fragen uns immer: Was wird als nächstes passieren?“, sagt er im Interview mit Radio Vatikan.

Salvatore Cernuzio – Vatikanstadt *

Rmeich liegt in der Provinz Tyr, dem biblischen Tyrus; die Einwohner sind ausschließlich maronitische Christen, während in den Dörfern drumherum schiitische Muslime leben. Diese Dörfer in der Nähe sind auch eine Hochburg der Hisbollah-Miliz, die weiter im Krieg mit Israel liegt – und darum gehört in Rmeich der Krach von Tieffliegern und explodierenden Raketen zum Alltag. Im letzten Krieg sind von den gut 10.000 Einwohnern viele in andere Teile des Libanons geflohen – aber 900 Familien sind geblieben, um das Dorf zu verteidigen. Und zwar einfach, indem sie Aufforderungen zur Evakuierung ignorierten und zuhause blieben.

Eine Bevölkerung, die auf gepackten Koffern sitzt, wie der maronitische Pater Elias berichtet. Der Pfarrer von Sankt Georg in Rmeich erzählt von einer Episode von vor ein paar Monaten, als die Hisbollah versuchte, ins Dorf einzudringen – was mit Sicherheit eine Reaktion der israelischen Luftwaffe zur Folge gehabt hätte. Und vermutlich auch die Zerstörung des Dorfes, das bisher weitgehend verschont geblieben ist.


Mit Glockengeläut gegen Raketenwerfer

„Am Ende des Krieges wollten einige Milizionäre Raketen in der Nähe von Häusern und Schulen abschießen. Natürlich war die Schule geschlossen, die Kinder waren zu Hause. Ein Mann kam zu mir in die Pfarrei und teilte mir mit, dass er sich mit einigen Leuten gestritten hatte, die Raketen abschießen wollten. Also sprang ich in mein Auto, fuhr schnell los und benachrichtigte unterwegs die ELS (Armee des Südlibanon), mit der ich immer in Kontakt stehe. Als ich ankam, fand ich jedoch keine Raketenbasis vor, alle waren verschwunden... Nach einer Weile hörten wir, wie Raketen von einem Hügel in der Nähe der bewohnten Häuser, von einem Hügel mit Pinien, abgeschossen wurden, und da haben wir uns ‚bewaffnet‘. Das heißt: Alle Männer des Dorfes sind zusammengelaufen, wir haben ununterbrochen die Glocken geläutet, um die Milizionäre zu stören, und wir haben die Straße blockiert, bis sie wieder weggefahren sind.“

Libanon: Ein Pfarrer an der Grenze - Radio Vatikan berichtet

Eine Szene von vielen aus diesen schwierigen Monaten. Eine andere Episode geschah zu Beginn des Kriegs letztes Jahr, als Pater Elias und die Gemeinde während des Gottesdienstes hörten, wie Rakten über sie hinwegflogen. „Die Menschen warfen sich zu Boden, sie hatten Angst, dass die Raketen bei uns einschlagen würden. Da rief ich mit einer Kraft, die wirklich aus dem Tabernakel kam, zweimal: ‚Habt keine Angst!‘ Und ich sagte mir gleichzeitig: Warum habe ich das jetzt gesagt? Es gab da etwas Stärkeres als mich, das mich dazu brachte, dieses Wort, diesen Satz zu sagen. Jedenfalls hatte ich selbst von diesem Moment an keine Angst mehr, ich war ruhig, ich sagte zum Herrn: Danke, dass du mich beruhigt hast, dass du wirklich geblieben bist, um uns während des ganzen Krieges zu beschützen.“

„Ich sagte zum Herrn: Danke, dass du mich beruhigt hast, dass du wirklich geblieben bist, um uns während des ganzen Krieges zu beschützen“


„Wir haben nichts gegen Schiiten oder Sunniten, wir wollen den Frieden!“

Ganz ohne Gottvertrauen scheint es nicht zu gehen in den letzten Hügeln des Libanon, von wo aus man schon die ersten Häuser und Antennen Israels erspähen kann. Der maronitische Priester erzählt Geschichten, die von Durchhaltevermögen zeugen. Und auch von Gastfreundschaft.

„Im Jahr 2006 (während des zweiten israelisch-libanesischen Krieges, Anm. d. Red.) haben wir fast 30.000 Muslime aufgenommen, die vor dem Konflikt geflohen waren. Sie wurden von uns in Häusern, Schulen und Pfarrsälen untergebracht. Jeder, der an Häuser und Kirchentüren klopfte, wurde willkommen geheißen. Wir haben nichts gegen die schiitische oder sunnitische Bevölkerung oder Menschen anderer Religionen. Wir sind Brüder. Wir sind nicht gegen die Menschen, wir sind einfach gegen den Krieg. Und das Schöne ist, dass die Reise des Papstes bestätigt hat, was wir schon länger öffentlich sagen: Wir wollen den Dialog, nicht die Sprache der Gewalt, der Waffen. Wir wollen den Krieg verhindern, wir wollen den Dialog, wir wollen den Frieden!“

Papstreise war ein Hoffnungsschimmer

Die Reise von Papst Leo XIV. vom 30. November bis zum 2. Dezember nach Beirut war für viele Libanesen und insbesondere für die Bewohner von Rmeich ein Hoffnungsschimmer. Auch wenn es der Papst nicht bis in ihre Nähe geschafft hat. „Wir befinden uns in einer Zeit der Dunkelheit, der Angst vor der Zukunft: Was wird als nächstes passieren? Wird es wieder Krieg geben? Werden wir Arbeit finden? Bleiben wir in unserem Land oder nicht? Das sind die Fragen, die sich die Menschen stellen. Die Zukunft ist düster und ungewiss, es gibt keine Klarheit über die Zukunft…“

In eine solche schwierige Lage hinein habe der Besuch des Papstes gewirkt. „Gerade heute Morgen hat mir eine Lehrerin gesagt, dass sie sich nach dem Besuch des Papstes beruhigt gefühlt hat. Sie sagte mir: Ich hatte Angst, ich hatte immer meine Sachen fertig gepackt, denn wenn etwas passieren sollte, wollten wir sofort losfahren, aber jetzt nicht, jetzt bin ich ruhiger. Der Papst hat uns wirklich eine Botschaft des Vertrauens gegeben.“ Pater Elias ist extra zum Papstbesuch nach Beirut gefahren und hat viele Momente der Visite miterlebt. Bei der Messe im Hafen von Beirut saß er sogar in der ersten Reihe. Was ihn am meisten beeindruckt hat? Leos Treffen mit Jugendlichen in Bkerké.

„Genau das wollten wir hören“

„Diese Aufforderungen: Bleibt standhaft, ihr seid die Zukunft, geht weiter! Und auch die Messe mit der Ermutigung an den Libanon, wieder ein Zeugnis des interreligiösen Lebens zu sein, ein Zeichen für die ganze Welt, dass wir mit anderen in Geschwisterlichkeit leben können… Der Papst hat gezeigt, dass er wirklich den ganzen Libanon, alle Regionen des Libanon, die er nicht besuchen konnte, von Norden bis Süden, im Herzen trägt. Das ist wirklich das, was die Menschen von ihm erwartet haben. Und auch dieser Appell, die Waffen niederzulegen: Genau das wollten wir hören. Es hat mir wirklich viel Ruhe gegeben und das ist keine Kleinigkeit.“

* Der ursprünglich italienische Text wurde von Stefan v. Kempis übersetzt und dabei überarbeitet und angepasst.

(vatican news)
 

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16. Dezember 2025, 11:30