Delegierte beten im Juli 2025 auf der Generalsynode der Church of England in London Delegierte beten im Juli 2025 auf der Generalsynode der Church of England in London  (TOBY MELVILLE)

„Anglikanische Gemeinschaft von Spaltung bedroht“

Die anglikanische Weltgemeinschaft ist von Spaltung bedroht. Das erklärte der Anglikaner-Experte Kai Funkschmidt jetzt gegenüber dem Kölner Domradio. Ob die designierte Erzbischöfin Sarah Mullally den Riss kitten könne, bleibe abzuwarten.

Funkschmidt bezog sich auf einen Konflikt über Glauben, Bibeltreue und Sozialethik innerhalb der anglikanischen Kirche. „Man kann jetzt wirklich sagen: Das ist ein handfester Streit“, so der wissenschaftliche Referent für Anglikanismus und Weltökumene am „Konfessionskundlichen Institut“ des Evangelischen Bundes. „Und je nachdem, wie man die Terminologie bewertet, würde man sagen: Das ist eigentlich jetzt schon eine Spaltung in der anglikanischen Gemeinschaft.“

Mehrere Kirchen, vor allem aus Afrika und dem globalen Süden, haben sich von der traditionellen Kirchenleitung um Canterbury losgesagt und eine eigene Struktur gegründet – die „Global Anglican Communion“. Der Auslöser ist ein alter Konflikt: der Umgang mit Homosexualität. Seit Jahren streitet die anglikanische Kirche darüber, ob gleichgeschlechtliche Paare gesegnet oder homosexuelle Geistliche ordiniert werden dürfen. Während Kirchen in England oder Nordamerika zunehmend liberaler werden, lehnen viele im globalen Süden diese Entwicklung entschieden ab.


Globaler Süden gegen liberalen Westen

Nach der Trennung der „Church of England“ von Rom im 16. Jahrhundert entwickelten sich in Großbritannien neue kirchliche Strukturen. Im Zuge des Kolonialismus verbreiteten diese sich weltweit. Heute ist die anglikanische Gemeinschaft ein lockerer Verbund von 42 eigenständigen Kirchen, die historisch mit der Kirche von England verbunden sind. Der Erzbischof (oder künftig die Erzbischöfin) von Canterbury hat darin nur eine symbolische Leitungsrolle als sogenannter „Ehrenprimat“.

2008 gründete sich die GAFCON – „Global Fellowship of Confessing Anglicans“. Sie ist ein loser Zusammenschluss konservativer Bistümer, die sich gegen die liberale Sexualethik der westlichen Kirchen stellen. Unter der Führung südlicher Kirchen stellt GAFCON nun auch die Rolle des Ehrenprimats grundsätzlich in Frage.

Am 16. Oktober erklärte nun der ruandische Erzbischof Laurent Manda, Vorsitzender des Bündnisses, die Gründung der „Global Anglican Communion“. Diese verstehe sich, so Funkschmidt, nicht als Abspaltung, sondern als die eigentliche Bewahrerin des biblischen und bekenntnistreuen Glaubens. „Der Anspruch lautet: Wir sind nicht die, die sich abspalten, die anderen haben sich von der Bibel entfernt.“


Unterschiedliche Strukturen, gleiche Bezeichnung

Organisatorisch ist das neue Bündnis allerdings noch schwach aufgestellt. Anders als die anglikanische Gemeinschaft mit ihrem Büro in London hat GAFCON bisher keine festen Strukturen, sondern nur lose Treffen und Erklärungen. Neu ist allerdings die Forderung, dass Mitglieder künftig aus ihren Kirchenordnungen streichen sollen, dass sie in Gemeinschaft mit der Kirche von England stehen und den Ehrenprimat von Canterbury anerkennen. „Das ist ein echter Bruch“, sagt Funkschmidt.

Wie viele Kirchen diesen Schritt mitgehen, ist offen. Zwar dominieren afrikanische Provinzen wie Nigeria, Ruanda oder Uganda die Bewegung, doch längst nicht alle im globalen Süden wollen diesen Weg mitgehen.

Auch in der „Kirche von England“ selbst schwelt der Streit weiter. Eine Mehrheit der Bischöfe befürwortet die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare, die Basis ist gespalten. Ein umstrittener Beschluss aus dem Jahr 2023, diese Segnungen über einen kirchenrechtlichen Umweg einzuführen, sorgte für heftige Kritik.


 

Mullallys Wahl deutet Kurswechsel an

Mit der Wahl der neuen Erzbischöfin Sarah Mullally stoppte die Kirche Mitte Oktober den bisherigen Kurs. Sie will den gesamten Reformprozess neu und nach strengeren Regeln aufrollen. Nur einen Tag nach Mullallys Wahl verkündete GAFCON die Gründung der neuen „Global Anglican Communion“.

Funkschmidt hält es trotz der Spannungen für unwahrscheinlich, dass sich die konservativen Anglikaner nun der katholischen Kirche zuwenden. Zwar habe es in den 1990er-Jahren, nach der Einführung der Frauenordination in England, mehrere Übertritte anglikanischer Geistlicher gegeben, doch das sei ein sehr spezifisch englisches Phänomen gewesen. In Afrika sei das Verhältnis zwischen der katholischen und der anglikanischen Kirche deutlich angespannter. Ein Übertritt sei dort weder theologisch noch praktisch attraktiv. „Viele der Anführer der GAFCON-Bewegung sind selbst Bischöfe oder Erzbischöfe. In der katholischen Kirche könnten sie nur als einfache Priester wirken“, erklärt Funkschmidt. „Das macht einen solchen Schritt für sie kaum vorstellbar.“


Kein einheitlicher Süden

Trotz der lautstarken Abspaltung mahnt Funkschmidt zur Differenzierung: Nicht alle konservativen Kirchen im Süden folgen GAFCON. Die Global South Fellowship of Anglican Churches (GSFA), ebenfalls ein Zusammenschluss südlicher Provinzen, hat sich klar gegen eine Spaltung ausgesprochen. „Auch im Süden ist es umstritten, ob man an dieser Frage die Kirchengemeinschaft zerbrechen lassen will“, betont der Theologe.

Für Funkschmidt ist die Situation nicht nur eine strukturelle, sondern auch eine emotionale Krise: „Es ist dramatisch, wenn man plötzlich außerhalb der Gemeinschaft steht“. Der Konflikt berühre das Selbstverständnis vieler Christinnen und Christen – zwischen Loyalität zur eigenen Kirche und Treue zur eigenen Bibelauslegung.

(domradio – sk)
 

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

30. Oktober 2025, 10:32