Buchtipp: Die Durchquerung des Unmöglichen
Anne Preckel - Vatikanstadt
„Die Durchquerung des Unmöglichen“ beleuchtet schonungslos, doch keinesfalls pessimistisch die Möglichkeit eines Zusammenbruchs unserer Zivilisation. Angesichts existenzieller ökologischer und politischer Krisen rücken Gegenwart und Endlichkeit in den Fokus, die Zukunft der Menschheit ist verdunkelt. Was Hoffnung vor diesem Hintergrund bedeuten kann, dem geht Pelluchon in sechs kurzen, dichten Kapiteln nach. Darin denkt die Autorin über aktuelle Themen wie ökologische und psychologische Folgen des Klimawandels, über Populismus und wachsenden Nationalismus in Frankreich und Europa, aber auch über anthropologische Fragen wie Weiblichkeit und deren „Sinn“ für Verletzlichkeit und Endlichkeit nach.
Anklänge an Laudato sì
Pelluchon argumentiert nicht religiös. Bewusst knüpft die Autorin aber an biblische Weisheiten und die theologische Tugend der Hoffnung an, um eine Philosophie der Hoffnung zu skizzieren. Dabei bildet die spirituelle Dimension der Hoffnung einen roten Faden. Diese spirituelle Dimension hat mit „einer besonderen Beziehung zur Zeit und zu dem, was größer ist als man selbst“, zu tun, sie enthält die Begegnung mit Schmerz, aber auch den Glauben an die Zukunft, obwohl diese Zukunft nicht vollständig vorhersehbar ist. Während der christliche Glaube ein „Ja zu Gott“ sei, sei die Hoffnung „vor allem ein Ja-trotz-allem und erst danach ein Ja zu sich selbst oder Gott“, schreibt Pelluchon.
Was die Philosophin über Klima und Umwelt, Entwicklung und Globalisierung schreibt, lässt sich an Papst Franziskus‘ Denken anschließen. Beide teilen eine Ethik der Umwelt, die Nachhaltigkeit sucht, sich um alle Geschöpfe sorgt und um die Verbundenheit aller Dinge weiß. Verletzlichkeit wird dabei nicht als Makel, sondern Charakteristikum und Chance des Menschseins begriffen. Und während es im Christentum der Gottesglaube ist, der weiterträgt, ist es bei Pelluchon eine Art immanente Vitalität, ein Über-Leben, das mit Erkennen von Grenzen, Demut und Mut zu tun hat. Pelluchons Essay schlägt damit eine Brücke zwischen dem christlichen und dem säkularen Nachdenken über Hoffnung.
Hoffen ist kein Optimismus
Dass Gesellschaften trotz Wissen um fatale Folgen ihres Handelns nicht in der Lage sind, bessere Wege einzuschlagen, hat laut Pelluchon nicht mit einem Mangel geteilter Überzeugungen, sondern mit einem Mangel an Hoffnung zu tun. Hoffen ist kein Optimismus: Hoffnung bedeutet laut Pelluchon, beklemmende Tatsachen nicht verdrängen zu müssen, sondern anerkennen zu können und den Mut zu finden, sich dem Unerwarteten zu öffnen. Hoffnung ist damit eine Entscheidung für das Leben, für jene „Energie, die bleibt, wenn nichts mehr bleibt“. Um dorthin zu gelangen, gilt es das Unmögliche zu durchqueren. Pelluchon ermutigt dazu, dieses Unmögliche hinter sich zu lassen - wie die Versuchung in der Wüste.
Vorboten einer anthropologischen Wende seien heute sichtbar, ist die Autorin überzeugt, die als Beispiele die Tierschutz- und Klimaschutzbewegung nennt. Ihr Bekenntnis kommt zur rechten Zeit, denn „letzlich ist Hoffnung das, wonach unsere Seele hungert und dessen Mangel uns verbittert oder gewalttätig werden lässt“, schreibt Pelluchon. Schwarzmalerei und Endzeitfantasien setzt die Autorin mit ihrer Philosophie der Hoffnung einen Raum des Möglichen entgegen.
Corine Pelluchon befasst sich in ihrem Denken mit Moralphilosophie, politischer Philosophie und Fragen der angewandten Tier-, Umwelt- und Medizinethik und lehrt in Frankreich. Mit ihrer philosophischen Diagnostik sucht sie Herausforderungen unserer Zeit sinngebend einzuordnen. Das Buch „Die Durchquerung des Unmöglichen“ erschien 2023 im Münchner Verlag C.H. Beck und kostet im deutschen Buchhandel 22,- Euro.
(vatican news - pr)
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