Vikar von Südarabien: „Waffen sind im Jemen stärker als Diplomatie"
Die verstärkten amerikanischen Angriffe auf Ziele der Huthi im Jemen kamen „in gewisser Weise plötzlich“, obwohl sie „signifikant nahe an der Zunahme der Fragilität der Waffenruhe zwischen Israel und Hamas“ lagen, welche dann auch in der Nacht vom 17. auf den 18. März mit der militärischen Eskalation durch Israel zusammenbrach. Das betont der Kapuziner Paolo Martinelli, Apostolischer Vikar von Südarabien (Vereinigte Arabische Emirate, Oman und Jemen), in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur AsiaNews. In den letzten Tagen hatte US-Präsident Trump die amerikanischen Angriffe auf Huthi-Stellungen signifikant erhöht, wobei auch Zivilisten ums Leben kamen. Im Visier der neuen US-Regierung ist auch Iran, der die Huthis unterstützt, welche ihrerseits verstärkt Ziele im Golf von Aden und im Roten Meer angegriffen hatten, um der Hamas im Krieg gegen Israel zu helfen.
„Seitdem der neue Präsident der Vereinigten Staaten die Huthi als ‚Terroristen‘ bezeichnet hat, haben wir angefangen, sorgfältig über die möglichen Folgen dieser Aussagen im Nordjemen nachzudenken“, reflektiert der Apostolische Vikar. „Wir warteten darauf, die konkreten Auswirkungen zu verstehen“, fügt er hinzu. Mittlerweile scheine es, dass Waffen über die Diplomatie siegen, weil „die Waffenruhe zwischen Israel und Hamas eine gewisse Entspannung und vorsichtigen Optimismus gefördert hatte“, welcher die Angriffe gestoppt hatte – doch nun habe sich die Situation geändert, räumt er ein.
Was die jüngsten Angriffe der Vereinigten Staaten und die Antwort der Huthi mit der Bombardierung kommerzieller Schiffe im Roten Meer zur Unterstützung von Hamas in Gaza betrifft, warnt Martinelli, dass ein möglicher Ausbruch eines „offenen und groß angelegten Konfliktes“ „tiefes Leid für die Zivilbevölkerung“ verursachen würde. „Das Volk ist schon durch zehn Jahre Bürgerkrieg ausgelaugt. Wir können uns nur vage die Leiden der Bevölkerung im Falle eines offenen Krieges vorstellen“, fügt er hinzu. Deshalb müsse die Priorität darin bestehen, „unschuldige Opfer zu verschonen“.
Zivilisten verschonen - Armit wird immer schlimmer
Die Armut im Land wird immer schlimmer, so sind neuesten Erhebungen zufolge auch Minderjährige, darunter 10- oder 11-jährige Kinder, gezwungen, beispielsweise als Fahrer zu arbeiten, um kleine Summen zu verdienen, mit denen sie ihre Familien unterstützen. „Wir haben wenig direkte Informationen, aber sicherlich ist die Not groß“, betont der Vikar von Südarabien. „Aufgrund dieser allgemeinen Unsicherheit ist es sehr schwierig, humanitäre Hilfsprojekte durchzuführen, die die Situation tatsächlich ändern und einen neuen Anfang ermöglichen können“, so der Kirchenmann, der darauf hinweist, dass auch in diesem Fall „vor allem die Schwachen und die Kinder“ die Konsequenzen der Not trügen.
Mehr als drei Millionen Binnenflüchtlinge
Der Konflikt im Jemen brach 2014 als innerer Konflikt aus und verschärfte sich, als im März 2015 Riad an der Spitze einer Koalition arabischer Nationen gegen die von Iran unterstützten Huthi-Rebellen intervenierte. Laut den Vereinten Nationen habe der Krieg mittlerweile mehr als 400.000 Opfer gefordert und die „schlimmste humanitäre Krise der Welt“ ausgelöst, auf die auch Covid-19 „verheerende“ Auswirkungen hatte; Millionen von Menschen stehen am Rande des Hungers, und vor allem die Kinder – von denen etwa 10.000 im Konflikt ums Leben gekommen sind – werden die Folgen Jahrzehnten lang tragen. Es gibt mehr als drei Millionen Binnenflüchtlinge, die meisten von ihnen leben unter extremen Bedingungen, in denen sie Elend, Hunger und Epidemien verschiedenster Art ausgesetzt sind, darunter auch Cholera.
Doch Erzbischof Martinelli lenkt den Blick auch auf ein positives Element: Nämlich, dass derzeit die interne Waffenruhe zwischen den Regierungstruppen (unterstützt von Saudi-Arabien) und den Huthi (iranfreundlich) hält, deren gewaltsame Auseinandersetzungen den Konflikt jahrelang befeuert hatten. „Den Nachrichten zufolge, die uns vorliegen, sind die Beziehungen zwischen den beiden Seiten derzeit ruhig, was jedoch nicht bedeutet, dass die Probleme gelöst sind“, so Martinelli, der jedoch anerkennt, dass „es sicherlich gut ist, dass der interne Konflikt aufgehört hat“. Auch die Situation im Süden scheine besser zu sein, ebenso sei es „ein wichtiges Zeichen, dass kürzlich der Apostolische Nuntius ernannt wurde: Das ist ein Zeichen der Hoffnung.“ Im vergangenen Juli wurde Erzbischof Christophe Zakhia El-Kassis zum Päpstlichen Vertreter im Jemen ernannt; er ist auch für die Arabische Halbinsel zuständig.
Aufnahme diplomatischer Beziehungen Zeichen der Hoffnung
Im gesamten arabischen Raum werde mit Besorgnis registriert, was derzeit im Jemen passiere, so Martinelli weiter: „Von meiner Seite erinnere ich die Menschen und die Autoritäten, die ich treffe, an die ständige Botschaft von Papst Franziskus über die Absurdität des Krieges und die Notwendigkeit, Versöhnungswege zu fördern, durch wirksame diplomatische Maßnahmen und die Verbreitung einer Kultur des Friedens.“
Schließlich berichtet Erzbischof Martinelli über die Lage der christlichen Gemeinde im Jemen, beginnend mit den Schwestern von Mutter Teresa von Kalkutta, die „im Norden des Landes präsent sind“, mit denen er „fast täglich, insbesondere in diesen Tagen“, in Kontakt steht. Trotz des vor neun Jahren erfolgten blutigen Angriffs jihadistischer Gruppen auf den Sitz in Aden, wobei vier Schwestern ums Leben kamen, hätten sie beschlossen, im Land zu bleiben und leisteten immer noch „eine enorme Pflegearbeit mit Kranken und Alten, trotz der großen Schwierigkeiten, denen sie sich stellen müssen.“ „Tatsächlich“, fährt der Erzbischof fort, „sind sie ein Bezugspunkt für die verbliebenen Gläubigen“, und wenn „viele Christen das Land in den letzten Jahren verlassen haben“, sind andere dennoch „geblieben, und wir versuchen, auf diskrete Weise mit ihnen in Kontakt zu bleiben.“
Schwestern bleiben
Im Süden gebe es auch ein Caritas-Büro, das dank der Unterstützung von Caritas Polen und Cordais betrieben werden könne, meint Martinelli. „Unsere vier Kirchen, darunter die Kathedrale von Aden, sind alle unbenutzbar, da sie durch den Bürgerkrieg schwer beschädigt wurden. Mit der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen des Heiligen Stuhls hoffe ich, bald zumindest Aden besuchen zu können“, so die Hoffnung des Vikars: „Wenn die Bedingungen es erlauben, möchten wir unseren katholischen Gläubigen sofort die notwendige spirituelle und pastorale Unterstützung bieten und beten, dass dies bald geschehen kann.“
(asianews/vatican news - cs)
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