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Syrer stehen in Damaskus an, um ihre Pässe zu bekommen Syrer stehen in Damaskus an, um ihre Pässe zu bekommen  (ANSA)

Caritas international: Zu früh, um Syrien als sicheren Herkunftsstaat zu bewerten

Der Sturz von Machthaber Assad wurde in Syrien gefeiert. Einen Monat später berichtet Regina Kaltenbach von Caritas international im Gespräch mit dem Kölner Domradio von der anhaltenden katastrophalen Situation und den entstandenen Herausforderungen für Hilfeleistungen.

DOMRADIO.DE: Syrien wird gerade von der Oppositionsmiliz HTS geführt. Was meinen Sie, hat sich dadurch die humanitäre Lage der Syrerinnen und Syrer verbessert?

Regina Kaltenbach (Projektreferentin für Syrien bei Caritas international): „Das kann ich relativ direkt beantworten. Natürlich hat sich die humanitäre Lage bisher überhaupt nicht verbessert. Es sind auch erst vier Wochen vergangen seit der Machtübernahme. Aber die Lage in Syrien war vor der Machtübernahme katastrophal. So katastrophal, wie wir es noch nicht mal während Hochzeiten des Syrienkriegs erlebt haben. Und sie ist auch weiterhin katastrophal. Zusätzlich sind Menschen vertrieben worden. Lieferketten wurden unterbrochen. 90 Prozent der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutslinie. Diese Menschen haben enorme Schwierigkeiten, sich mit dem Nötigsten zu versorgen. Diese Situation besteht fort. Da ändert auch eine Machtübernahme leider überhaupt nichts daran.“

„Natürlich hat sich die humanitäre Lage bisher überhaupt nicht verbessert“

DOMRADIO.DE: Unter dem Assad-Regime war Ihre Unterstützung geklärt. Mit der Caritas Syrien war klar geregelt, wo Hilfsleistungen möglich waren und was nicht möglich war. Wie ist das jetzt in dieser neuen Situation?

Kaltenbach: „Unsere Partner müssen sich jetzt arrangieren mit der neuen Situation, müssen klären, wo sie aktiv sein können. Koordinationsforen werden gerade neu aufgesetzt. Da ist vieles noch im Fluss und vieles ist unklar. Uns und unseren Partnern wurde die Bereitschaft signalisiert, Hilfen fortzusetzen. Wir sehen auch schon, dass es in bestimmten Regionen ganz normal fortgesetzt werden darf. In anderen Regionen haben wir noch Schwierigkeiten. Administrative Themen müssen jetzt geklärt werden, was natürlich eine enorme Doppelbelastung ist. Die Partner müssen sich eigentlich darauf fokussieren, Hilfsleistungen zu verteilen und für die Menschen vor Ort da zu sein.“

Saudi-arabische Hilfsgüter kommen Anfang Januar in Damaskus an
Saudi-arabische Hilfsgüter kommen Anfang Januar in Damaskus an

DOMRADIO.DE:  Wenn wir von Sicherheit sprechen, was berichten Ihnen die Mitarbeitenden der lokalen Partnerorganisationen, mutmaßlich Christen? Fühlen sie sich sicher?

Kaltenbach: „Das ist schwierig zu beantworten. Das unterscheidet sich von Partner zu Partner, von Stadt zu Stadt. Generell kann man schon sagen, dass es im Vergleich zu vor vier Wochen zu einer Verbesserung der Sicherheitslage gekommen ist, wenn man es landesweit betrachtet. Aber es gibt immer noch Auseinandersetzungen. Es wird immer noch gekämpft. Vor allem im Nordosten finden tagtäglich Kampfhandlungen statt. Es kommt immer wieder auch zu kämpferischen Handlungen überall im Land. Es ist weiterhin sehr angespannt, unübersichtlich und fluide. Es ist bei weitem nicht so, dass die HTS und die Übergangsregierung jetzt alle Gruppen und alle bewaffneten Akteure im Land vereint hätten. Es gibt weiterhin Milizen, die sich nicht vereinen lassen haben.“

Archivbild von 2015: Syrische Flüchtlinge warten an der türkischen Grenze auf ihre Ausreise aus Syrien
Archivbild von 2015: Syrische Flüchtlinge warten an der türkischen Grenze auf ihre Ausreise aus Syrien

„Es gibt weiterhin Milizen, die sich nicht vereinen lassen haben“

DOMRADIO.DE: Wie geht es auch Ihnen persönlich jetzt in dieser neuen Situation? Sie wollten eigentlich nach Syrien reisen. Es gibt aber offenbar eine Planänderung.

Kaltenbach: „Genau, aber das ist der Syrienkontext, der ist sehr fluide, sehr volatil. Wir müssen jetzt einfach Woche für Woche planen und im ganz engen Austausch bleiben, was möglich ist und was nicht möglich ist. Es sind neue Dinge im Aufbau und ich wünsche mir, dass die Kollegen und Kolleginnen alle Unterstützung bekommen, um sich jetzt dort bestmöglich aufzustellen und sich so gut es geht wieder zu organisieren.“

„Es ist es viel zu früh, die Lage in Syrien einschätzen zu können, ob man Menschen dorthin zurückführen kann“

DOMRADIO.DE: In der deutschen Politik, in allen Parteien, wird diskutiert, ob Syrien jetzt wieder ein sicheres Herkunftsland ist. Wie ist der Standpunkt von Caritas international?

Kaltenbach: „Das ist eine innenpolitische Debatte, die sicherlich auch durch den Wahlkampf motiviert ist. Es ist zu früh, um das zu beantworten, ganz klar. Es ist es viel zu früh, die Lage in Syrien einschätzen zu können, ob man Menschen dorthin zurückführen kann.“

(domradio.de - cs)

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14. Januar 2025, 14:16