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Eine Sitzung des UNO-Sicherheitsrates in New York Eine Sitzung des UNO-Sicherheitsrates in New York  (2024 Getty Images)

UNO: Afrika in den Sicherheitsrat?

Seit dreißig Jahren fordert der afrikanische Kontinent einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Auch der Vatikan ruft nach einer Reform der UNO. Die USA sind mittlerweile für einen afrikanischen Sitz, wollen ihm aber kein Vetorecht einräumen.

„Bisher hatten sich die USA gegen jede Erweiterung des Sicherheitsrats ausgesprochen“. Das erklärt der Forscher Francis Kpatindé, Dozent an der Pariser Elite-Universität Sciences Po. „Die letzte Hürde wurde nun genommen. Die Afrikagruppe der Vereinten Nationen und die Afrikanische Union in Addis Abeba müssen sich nun zusammensetzen, beraten und arbeiten, um eine angemessene Antwort auf das amerikanische Angebot zu geben.“

Bisher haben fünf Länder im Sicherheitsrat einen ständigen Sitz mit Vetorecht: China, Russland, Frankreich, Großbritannien und die USA. Der Rat hat auch zehn weitere nichtständige Mitglieder, die von der Generalversammlung jeweils für eine zweijährige Amtszeit gewählt werden. Bisher hatten nur drei afrikanische Länder schon mal einen nichtständigen Sitz im Sicherheitsrat: Sierra Leone, Algerien und Mosambik.

Bei einem UN-Treffen in New York
Bei einem UN-Treffen in New York

Auch Staaten südlich der Sahara bewerben sich um den Sitz

„Die beiden Großmächte südlich der Sahara, Südafrika und Nigeria, bewerben sich um einen Posten als ständiges Mitglied im Sicherheitsrat. In Nordafrika haben Sie Ägypten, das ebenfalls eine afrikanische Macht ist, Algerien, Marokko und Äthiopien, das den Sitz der Afrikanischen Union beherbergt. Außerdem gibt es noch den Senegal, der gleichfalls eine ständige Mitgliedschaft im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen anstrebt.“

Der afrikanische Kontinent beherbergt 1,3 Milliarden Menschen auf seinem Territorium, was 17 Prozent der Weltbevölkerung entspricht. Mit 54 Staaten stellt Afrika sogar 28 Prozent der 193 UN-Mitglieder, und mehr als 40 Prozent der Friedenssoldaten sind heute Afrikaner. Der Kontinent bringt also international durchaus Gewicht auf die Waage. Jetzt macht das Angebot der USA den Weg frei für Gespräche.

Die Sache betrifft nicht nur Afrika

„Man wird auch versuchen müssen, herauszufinden, ob die Afrikaner einen Sitz im Rat akzeptieren würden, auch ohne über ein Vetorecht zu verfügen. Die Frage geht übrigens über Afrika hinaus, denn Lateinamerika hat ja ebenfalls keinen ständigen Sitz im Sicherheitsrat, obwohl es dort große Länder wie Brasilien und Argentinien gibt, die sich ebenfalls darum bewerben. Und in Asien hat ein Land wie Indien keinen Sitz im Sicherheitsrat, jedenfalls keinen ständigen.. Als die Vereinten Nationen 1945 gegründet wurden, saßen nur vier afrikanische mit Länder am Tisch: Ägypten, Äthiopien, Liberia und Südafrika. Dies waren die vier Länder, die von Anfang an Mitglieder der Vereinten Nationen waren. Später, in den späten 1950er Jahren und in noch größerer Zahl ab 1960 erlangten afrikanische Länder ihre Unabhängigkeit.“

Biden an diesem Montag in Angola
Biden an diesem Montag in Angola

Der Westen bemüht sich derzeit in ganz neuer Weise um Afrika, damit die dortigen Regierungen nicht in das Lager von China oder Russland überwechseln. So ist u.a. zu erklären, dass Joe Biden jetzt gerade Angola besucht; es ist für den US-Präsidenten das erste Land südlich der Sahara, das er in seiner zu Ende gehenden Amtszeit bereist. Allerdings – wer einen afrikanischen Sitz im UN-Sicherheitsrat will, der sollte wissen, dass er da ein dickes Brett bohren muss.

Langer Atem nötig

„Um eine Reform der Vereinten Nationen durchzuführen, braucht es Jahre! Es bedarf vieler Diskussionen, denn um zum Beispiel den Sicherheitsrat zu reformieren, muss zuerst die aktuelle Charta der Vereinten Nationen überarbeitet werden. Zuvor müssten jedoch die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats und zwei Drittel der Mitglieder der Generalversammlung einstimmig zustimmen. Ich glaube nicht, dass die Generalversammlung ein Problem bei der Überarbeitung der Charta darstellen wird, aber man muss auf die Position der fünf derzeitigen ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats achten.“

Francis Kpatindé kann sich nicht vorstellen, dass es während einer Präsidentschaft von Donald Trump zu einer UN-Reform kommen könnte. Er findet es auch gar nicht so schlimm, wenn da jetzt nichts überstürzt wird.

Papst Franziskus mit UN-Generalsekretär Antonio Guterres
Papst Franziskus mit UN-Generalsekretär Antonio Guterres
Ständiger Sitz für Afrika im UNO-Sicherheitsrat? Ein Interview von Radio Vatikan


„Man muss nachdenken, vor allem bei einem so heiklen Thema. Es wäre ja die erste große Reform seit 1945. Es gab kleine Reformen, aber diese ist von großer Bedeutung und wird das geopolitische Schachbrett verändern. Darum muss man dafür meiner Meinung nach einige Jahre einplanen. Wenn man sich mal vorstellt, dass 28 Prozent der Mitglieder seit 1945 akzeptieren, den Anordnungen und Entscheidungen einer kleinen Gruppe von Staaten zu gehorchen… Das ist doch nicht möglich!“

Papst wirbt für Reform

Der Dozent findet schon, dass Afrika an den Tisch der Entscheider gehört. „Was bringt es Afrika, eine so große Anzahl an Truppen zu stellen, wenn ihm letztendlich Entscheidungen aufgezwungen werden? Die UNO funktioniert auch heute noch wie zu Zeiten des Kolonialismus. Auf der Ebene der bilateralen Beziehungen kann das so nicht weitergehen – und auch auf der Ebene der multilateralen Beziehungen kann dieses System nicht fortgesetzt werden.“

Papst Franziskus tritt deutlich für eine UNO-Reform ein, unter anderem in seiner Enzyklika „Fratelli tutti“. Der Krieg in der Ukraine zeigt aus seiner Sicht „erneut mehr als deutlich, dass es agilere und effizientere Wege zur Konfliktlösung braucht“. Die UNO entspreche in ihrer heutigen Gestalt „nicht mehr den neuen Realitäten“. Das bezieht er ausdrücklich auch auf den Sicherheitsrat.

Das Interview führte Augustine Asta vom französischen Programm Radio Vatikan für Afrika.

(vatican news – sk)

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03. Dezember 2024, 12:54