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Nächtliche Proteste in Tiflis Nächtliche Proteste in Tiflis  (AFP or licensors)

Georgien: „Das Land wird auseinandergerissen“

„Alle stehen unter Schock und sind in Panik“. Das sagt die Leiterin von Caritas Georgien, Anahit Mkhoyan. Seit die Regierungspartei die Bemühungen um einen EU-Beitritt ausgesetzt hat, werde das Land „auseinandergerissen“.

„Die Menschen wissen nicht mehr, wie sie ihr Leben in Georgien organisieren können. Sie wissen nicht, ob sie noch in Georgien leben wollen“, so Mkhoyan. Zehntausende sind in den letzten Tagen bei nächtlichen Protesten in georgischen Städten auf die Straße gegangen. Damit reagieren sie auf eine Rede von Ministerpräsident Irakli Kobachidse am 28. November. Dieser hatte angekündigt, dass das Land seine Gespräche über einen EU-Beitritt bis Ende 2028 aussetzen werde, da es von einigen Politikern der Union „erpresst und manipuliert“ werde.

Kobachidse und seine Partei „Georgischer Traum“ werden sowohl von Bürgern als auch von außenstehenden Beobachtern beschuldigt, das Land auf einen Moskau-freundlichen Weg zu bringen. Die EU und die USA fordern eine Untersuchung der georgischen Parlamentswahlen vom Oktober, bei denen Kobachidse und seine Partei trotz zahlreicher Berichte über Einschüchterung der Wähler und Wahlmanipulationen einen erdrutschartigen Sieg errungen haben sollen.

„Völliger Stillstand“

Kobachidses Agieren werde von der Bevölkerung als „völliger Stillstand“ des Landes auf seinem Weg in die EU empfunden, so Mkhoyan, als ein Verschieben auf den „Sanktnimmerleinstag“. Schätzungsweise 80 Prozent der Georgier befürworten die EU-Mitgliedschaft, und in der Verfassung des Landes ist das Ziel einer „vollständigen Integration“ sowohl in die EU als auch in die NATO festgeschrieben.

Mkhoyan sagte, sie fürchte um ihre Mitarbeiter. Diese nähmen an den nächtlichen Protesten teil, „weil es ihr politischer Wille ist“. Während einer „ziemlich gewalttätigen“ Demonstration, so Mkhoyan, habe sie das Gefühl gehabt, „dass mein Herz für eine Minute stehen blieb“. Einige Mitglieder ihres Teams hätten das Land aufgrund der Hinwendung der derzeitigen Regierung zu Russland verlassen. „Ich verliere Mitarbeiter, die sich entschieden haben, nicht in Georgien zu leben“, so die Caritas-Direktorin.

Unklare Lage für die Caritas

Die derzeitige Lage bringe „viele unklare Situationen mit unseren Partnern mit sich“. Hinzu kämen die Auswirkungen des georgischen Gesetzes vom Mai zur „Transparenz ausländischer Einflussnahme“. Es sieht vor, dass Organisationen, NGOs und Medien, die mehr als 20 Prozent ihrer Mittel aus dem Ausland erhalten, sich bei der georgischen Regierung als „Agenten ausländischer Einflussnahme“ registrieren lassen müssen.

Mkhoyan fürchtet, dass die Maßnahme „das Erbringen von Dienstleistungen für die Empfänger, die sie am dringendsten benötigen, gefährden könnte“. Die 1994 gegründete Caritas Georgien, die zum weltweiten Verband humanitärer Organisationen der katholischen Kirche gehört, sei der größte Anbieter sozialer Dienste in Georgien. Sie wisse nicht, „wie es mit der Spendensammlung weitergehen wird“.

„Georgien braucht wirklich Unterstützung von Seiten des Westens“

„Wir wissen nicht, was wir von dieser ganzen Sache erwarten können“, erklärte sie weiter. „Wir leisten weiter unsere tägliche Arbeit, aber alle unsere Planungsbemühungen kommen zum Stillstand, weil wir nicht wissen, wie wir planen sollen.“ Die Georgier kämpften „für ihre Rechte“; leider verhielten sich die westlichen Staaten gegenüber der Lage in Georgien „passiv“. „Sie verstehen nicht, was hier passiert. Georgien braucht wirklich Unterstützung von Seiten des Westens… Das Schlimmste ist, dass wir das Gefühl haben, dass sich niemand darum kümmert.“

(ucanews – sk)
 

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03. Dezember 2024, 10:29