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Hilfswerke über Klimakrise: „Die Dringlichkeit ist noch gestiegen“

Zehn Jahre nach der Veröffentlichung von Laudato si’ sieht Bernd Nilles, Direktor von Fastenaktion Schweiz und Präsident des internationalen Netzwerks katholischer Hilfswerke CIDSE, die Weltgemeinschaft vor dramatischen Herausforderungen. Im Gespräch mit Radio Vatikan fordert er entschiedeneres Handeln – von Regierungen, Kirchen und Gesellschaft.

Mario Galgano - Vatikanstadt

Vor zehn Jahren veröffentlichte Papst Franziskus seine Umwelt-Enzyklika Laudato si’. Für Bernd Nilles war das „wie eine Vitaminspritze“. Er erinnert sich: „Das war eine unglaubliche Unterstützung für uns, die katholischen Hilfswerke, für alle Organisationen, die sich große Sorgen machen um das Weltklima – und vor allen Dingen über die Auswirkungen auf arme Menschen.“ Besonders die Hungernden litten noch stärker unter den Folgen der Erderwärmung. „Das ist unsere große Sorge, die uns antreibt.“

Hier hören Sie das Interview mit Bernd Nilles von Mario Galgano

Heute, eine Dekade später, sei die Situation noch bedrohlicher. „Die Dringlichkeit ist noch weiter gestiegen. Aber die Regierungen dieser Welt reagieren nicht darauf. Sie reagieren sehr langsam“, beklagt Nilles. Zwar gebe es Fortschritte wie den Ausbau erneuerbarer Energien, „aber es ist nicht schnell genug. Es ist zu gefährlich.“ Deshalb seien viele kirchliche Vertreter in Rom zusammengekommen, „um zu beraten, wie wir diesen Druck steigern können, wie wir die Ernsthaftigkeit des Anliegens steigern können und bewusst machen können“.

„Die Klimagipfel sind der einzige Ort, wo alle am Tisch sitzen“

Ein zentrales Forum sind für Nilles die jährlichen UN-Klimagipfel (COP). „Diese Klimagipfel sind sehr wichtig, weil es der einzige Ort ist auf der Welt, wo alle Staaten an einem Tisch sitzen und alle eine Stimme haben“, betont er. Dort könnten auch kleine und arme Länder mitreden – nicht nur die großen CO₂-Emittenten wie die USA, Russland oder China.

„Die Klimakrise verschärft unsere Arbeit und macht sie nicht gerade leichter.“

Nilles sieht zwei Aufgaben zugleich: „Wir müssen runter mit dem CO₂, wir müssen dafür sorgen, dass es nicht noch schlimmer wird. Aber auf der anderen Seite müssen wir uns um all die Menschen kümmern, die jetzt schon leiden.“ Fastenaktion und andere Hilfswerke stünden an der Seite von Bauernfamilien, deren Land vertrocknet, und von Fischern, die ihre Existenz durch steigende Meeresspiegel verlieren. „Die Klimakrise verschärft unsere Arbeit und macht sie nicht gerade leichter.“

Schmelzende Gletscher in der Schweiz als Folge des Klimawandels
Schmelzende Gletscher in der Schweiz als Folge des Klimawandels   (AFP or licensors)

„Es braucht Gesetze – und Leuchtturmbeispiele“

Neben globalen Abkommen setzt Nilles auf das konkrete Handeln vor Ort. „Es ist sehr wichtig, dass nicht nur der Vatikan, sondern bis zur Pfarrei überall gehandelt wird.“ Beispiele wie Solardächer auf Kirchen, klimafreundliche Heizungen oder die Initiative „Grüner Güggel“ in der Schweiz zeigten, dass Gemeinden Vorbilder sein könnten.

„Das Pariser Klimaabkommen verpflichtet uns, bis 2050 klimaneutral zu sein. Das bedeutet eine große Umstellung. Pfarreien können da ein tolles Beispiel geben“, sagt Nilles. Gleichzeitig brauche es „gute Klimaschutzgesetze auf nationaler oder europäischer Ebene“. Nur beides zusammen – Leuchtturmprojekte und klare politische Rahmenbedingungen – könne den nötigen Wandel bewirken.

„Wir dürfen die Klimakrise nicht aus den Augen verlieren“

Besonders am Herzen liegt Nilles die Sorge, dass die Klimafrage angesichts von Kriegen und globalen Konflikten in den Hintergrund rückt. „Im Moment besteht die große Gefahr, dass das Klimathema so ein bisschen zur Seite rutscht. Aber im Hintergrund findet es statt. Es hat nicht aufgehört. Es wird gefährlicher.“

„Ein wichtiger Beitrag zur Überwindung der Klimakrise ist Frieden.“

Er verweist auch auf den Zusammenhang von Krieg und Umweltzerstörung: „Wenn ein Krieg stattfindet, wird dort selbstverständlich auch viel CO₂ ausgestoßen durch die ganze Kriegsmaschinerie. Es werden Menschen zerstört, aber auch Umwelt.“ Gleichzeitig verschärfe die Klimakrise selbst Konflikte, etwa um Wasser oder Land. „Deshalb hat Papst Franziskus gesagt: Wir müssen ganzheitlich denken. Die soziale und die ökologische Frage hängen zusammen.“

Für Nilles ist klar: „Ein wichtiger Beitrag zur Überwindung der Klimakrise ist Frieden. Und gleichzeitig ist die Bewältigung der Klimakrise ein Baustein, um Frieden zu schaffen.“

(vatican news)

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01. Oktober 2025, 10:29