Wortlaut: Leo XIV. beim Angelus am Sonntag
Liebe Brüder und Schwestern, einen schönen Sonntag!
Das Evangelium dieses zweiten Adventssonntags kündigt uns das Kommen des Reiches Gottes an (vgl. Mt 3,1-12). Vor Jesus tritt Johannes der Täufer, sein Vorläufer, in Erscheinung. Er predigte in der Wüste von Judäa und sprach: »Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe« (Mt 3,1).
Im Gebet des „Vaterunser“ bitten wir jeden Tag: »Dein Reich komme«. Jesus selbst hat es uns gelehrt. Und mit dieser Anrufung richten wir unseren Blick auf das Neue, das Gott für uns bereithält, und erkennen, dass der Lauf der Geschichte nicht bereits von den Mächtigen dieser Welt vorbestimmt ist. Wir stellen unsere Gedanken und Kräfte in den Dienst eines Gottes, der nicht kommt, um uns zu beherrschen, sondern um uns zu befreien. Das ist ein „Evangelium“: eine wahrhaft gute Nachricht, die uns motiviert und mit einbezieht.
Sicherlich, der Tonfall des Täufers ist streng, aber das Volk hört ihm zu, weil es in seinen Worten den Aufruf Gottes hört, nicht mit dem Leben zu spielen, sondern den gegenwärtigen Moment zu nutzen, um sich auf die Begegnung mit dem vorzubereiten, der nicht nach dem äußeren Schein urteilt, sondern nach den Werken und Absichten des Herzens.
Johannes selbst wird darüber überrascht sein, wie sich das Reich Gottes in Jesus Christus offenbaren wird, in Milde und Barmherzigkeit. Der Prophet Jesaja vergleicht es mit einem Spross: ein Bild nicht der Macht oder Zerstörung, sondern der Geburt und Neuheit. Auf den Trieb, der aus einem scheinbar toten Baumstumpf sprießt, beginnt der Heilige Geist mit seinen Gaben zu wehen (vgl. Jes 11,1-10). Ein jeder von uns mag sich einer ähnlichen Überraschung entsinnen, die ihm im Leben widerfahren ist.
Das ist die Erfahrung, die die Kirche beim Zweiten Vatikanischen Konzil gemacht hat, das vor genau sechzig Jahren zu Ende ging: eine Erfahrung, die sich erneuert, wenn wir gemeinsam auf das Reich Gottes zugehen, indem alle danach streben, es anzunehmen und ihm zu dienen. Dann keimen nicht nur Wirklichkeiten auf, die schwach oder nebensächlich erschienen, sondern es verwirklicht sich auch das, was man menschlich gesehen für unmöglich gehalten hätte. Um es mit den Bildern des Propheten zu sagen: »Der Wolf findet Schutz beim Lamm, der Panther liegt beim Böcklein. Kalb und Löwe weiden zusammen, ein kleiner Junge leitet sie« (Jes 11,6).
Schwestern und Brüder, wie sehr braucht unsere Welt diese Hoffnung! Für Gott ist nichts unmöglich. Bereiten wir uns auf sein Reich vor, nehmen wir ihn auf. Der Kleinste, Jesus von Nazaret, wird uns leiten! Er, der sich von der Nacht seiner Geburt bis zur dunklen Stunde seines Todes am Kreuz in unsere Hände begeben hat, erstrahlt über unserer Geschichte wie die aufgehende Sonne. Ein neuer Tag ist angebrochen: Wachen wir auf und wandeln wir in seinem Licht!
Das ist die Spiritualität des Advents, so leuchtend und konkret. Die Lichter entlang der Straßen erinnern uns daran, dass jeder von uns ein kleines Licht sein kann, wenn er Jesus, den Spross einer neuen Welt, aufnimmt. Lernen wir von Maria, unserer Mutter, Frau der vertrauensvollen Erwartung und der Hoffnung, dies zu tun.
(vatican news)
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