Österreich: Caritas rechnet mit deutlich mehr Obdachlosigkeit 2026
Caritasdirektor Klaus Schwertner sprach am Mittwoch bei einer Pressekonferenz im Wiener Obdachlosen-Betreuungszentrum „Die Gruft" von einer deutlichen weiteren Zuspitzung der sozialen Lage in Österreich. Nähmen Bund und Länder geplante Einsparungen im Sozialbereich nicht zurück, müsse man „davon ausgehen, dass die eigentliche Herbergssuche erst nach Weihnachten beginnt".
Schon jetzt sei die Situation „kälter - nicht nur in Minusgraden, sondern auch in sozialer Hinsicht", so Schwertner. Rund 21.000 Menschen - 4.000 Personen mehr als 2008 - seien derzeit österreichweit obdach- oder wohnungslos, wobei die Dunkelziffer doppelt so hoch sein dürfte. Allein in Wien schlafen mehrere Hundert Menschen im Freien.
Auch Delogierungen würden heute häufiger durchgeführt, so Schwertner. Bei bestimmten Gruppen wie etwa subsidiär Schutzberechtigten rechnet Schwertner mit „Tausenden", denen spätestens 2026 die Delogierung drohe. Verschärfend hinzu kämen Kürzungen wie etwa bei der Suchthilfe, von denen Wohnungslose besonders betroffen seien.
Sparen nicht bei den Schwächsten
Mit Blick auf die kommenden Monate appellierte Schwertner erneut an die Bundesregierung und die Länder, die geplanten Kürzungen im Sozialbereich zu überdenken und strukturelle Maßnahmen gegen die drohende Zunahme der Obdachlosigkeit zu setzen. „Wir haben Verständnis, dass gespart werden muss, aber bitte nicht für die verletzlichsten Gruppen", so Schwertner. Wer bei Angeboten für „psychisch oder chronisch erkrankte Menschen mit Behinderung, Kindern und obdachlosen Menschen" spare, setze „den gesellschaftlichen Zusammenhalt aufs Spiel".
Der Caritasdirektor verwies dabei auf die Empfehlungen des Fiskalrats und forderte eine „armutsfeste Reform der Sozialhilfe", ein verlässliches Housing-First-Angebot, Übergangsfristen für subsidiär Schutzberechtigte sowie Nachbesserungen beim Billig-Strom-Gesetz und einen nationalen Aktionsplan für leistbares Wohnen. Im Zuge von „Sozialverträglichkeitsprüfungen" sollten Experten künftig die Auswirkung von Maßnahmen auf vulnerable Gruppen wie Mindestpensionisten, Obdachlose oder kinderreiche Familien und Alleinerziehende prüfen.
Gleichzeitig bittet die Caritas die Bevölkerung dringend um Zeit-, Geld- und Sachspenden. Das Gruft-Winterpaket - bestehend aus einem winterfesten Schlafsack und sieben warmen Mahlzeiten - könne mit 70 Euro finanziert werden. Dies sei ein kleiner Beitrag, der im Winter für Menschen auf der Straße überlebenswichtig sein könne.
Dirk Stermann, der ein Streetwork-Team begleitet hatte, betonte, dass Obdachlosigkeit jeden treffen könne. Die von der Caritas geführte Gruft sei „ein Ort, der Menschen in größter Not mit Menschlichkeit und Wärme auffängt".
(kap – gs)
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