Der Briefwechsel zwischen den polnischen und deutschen Bischöfen 1965 Der Briefwechsel zwischen den polnischen und deutschen Bischöfen 1965  (Erzbistum Köln)

D/Polen: Wie gemeinsames Gedenken Früchte tragen kann

Vor genau 60 Jahren, am 18. November 1965, haben die polnischen Bischöfe in einem beispiellosen Schritt einen Brief geschrieben – adressiert war er an ihre deutschen Amtsbrüder, mit der Bewilligung von Vergebung für das im Krieg durch Deutsche erlittene Leid, aber auch mit der eigenen Bitte um Vergebung, für Taten, die Polen an Deutschen begangen haben.

Dass das Gedenken an derartige Versöhnungsgesten weitere positive Früchte tragen kann - davon sind der deutsche Botschafter beim Heiligen Stuhl, Bruno Kahl, und der Koordinator für die deutsch-polnische Zusammenarbeit, Knut Abraham, überzeugt.

Gemeinsames Gedenken

 

Beide sind, gemeinsam mit dem polnischen Botschafter beim Heiligen Stuhl, Adam Kwiatkowski, und dem Rektor der Päpstlichen Universität Gregoriana, Mark A. Lewis SJ, maßgeblich an den Vorbereitungen für eine Konferenz beteiligt, die am Dienstag, 9. Dezember, an der Gregoriana ausgerichtet wird. „Wir vergeben und bitten um Vergebung“ ist der Titel der Veranstaltung, die zum sechzigsten Jahrestag der Antwort der deutschen Bischöfe auf die Botschaft der polnischen Bischöfe vom 18. November 1965 organisiert wurde. In Breslau fand am Jahrestag vor einigen Wochen ein gemeinsames Gedenken statt, zu dem sich zahlreiche Vertreter beider Bischofskonferenzen sowie Repräsentanten aus Politik und Gesellschaft eingefunden hatten. Wir sprachen mit Knut Abraham, Panelist bei der Konferenz vom 9. Dezember, der auch bei der Veranstaltung in Breslau dabei war.

Interview

Knut Abraham, Koordinator für die deutsch-polnische Zusammenarbeit
Knut Abraham, Koordinator für die deutsch-polnische Zusammenarbeit
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Radio Vatikan: Herr Abraham, welche Rolle hat denn die katholische Kirche damals bei der deutsch-polnischen Versöhnung nach dem Krieg gespielt?

Knut Abraham, Koordinator für die deutsch-polnische Zusammenarbeit und Panelist bei der Konferenz zum 60. Jahrestag des versöhnenden Briefwechsels zwischen deutschen und polnischen Bischöfen: Also man kann sicherlich ohne Zweifel sagen, dass die katholische Kirche eine Wegbereiterin war für die Versöhnung, dass der Kirche hier eine ganz besondere Rolle zugekommen ist. Und der Briefwechsel der Bischöfe vor genau 60 Jahren war der entscheidende Schritt. Dieses Wort: ,Wir vergeben und bitten um Vergebung‘, das hat eine solche Kraft, einen solchen Impuls gegeben, dass in der langfristigen Wirkung hier wirklich die Quelle der Versöhnung zu suchen ist. So etwas hat es vorher, vor 1965, einfach nie gegeben. Der Krieg war 20 Jahre her. Grenzfragen waren offen. Das Schicksal der Polen, die unterdrückt, ermordet wurden, das war in jeder Familie zu spüren... Aber auch die vielen Millionen deutschen Heimatvertriebenen. Das war der Boden, auf dem es viel Mut brauchte, um so eine Nachricht, so eine Überzeugung in die Welt zu geben.

Radio Vatikan: Wie kam es denn zu diesem doch sehr mutigen und prophetischen Schritt?

Abraham: In den Wochen, Monaten und Jahren des Zweiten Vatikanischen Konzils ist es zu persönlichen Begegnungen der deutschen und polnischen Bischöfe gekommen. Und da ist eben eine zarte Pflanze von Vertrauen entstanden, auf der dann - und das ist ganz wichtig: es liegt immer an Einzelnen - auf deren Basis dann der Bischof von Breslau, Bolesław Kominek, diesen Brief initiiert hat. Das gemeinsame Arbeiten im Konzil und die Bildung von Vertrauen waren die Voraussetzung dafür, dass es dann zu diesem Briefwechsel gekommen ist.

Radio Vatikan: Inwieweit könnte denn dieser Briefwechsel und auch das Gedenken daran vielleicht sogar ein Vorbild für die heutigen deutsch-polnischen Regierungsbeziehungen darstellen?

Abraham: Ja, da ist etwas wirklich ganz Wunderbares passiert. Am 18. November haben wir in Breslau in einer sehr würdigen Feier dieses Briefwechsels gedacht. Es gab eine große Messe, und es herrschte eine sehr würdige, sehr warme Stimmung. Und die hat sich tatsächlich in den letzten drei Wochen auch auf die zwischenstaatlichen Beziehungen übertragen. Es gab in der Zwischenzeit deutsch-polnische Regierungskonsultationen, das ist quasi eine gemeinsame Kabinettssitzung, die in besonders konstruktiver, aber eben auch warmer Atmosphäre stattgefunden hat. Und das war nicht immer so in den letzten Monaten und Jahren!

Dieses Gedenken hat dann auch noch einen zweiten Impuls gesetzt, nämlich in der Weise, dass der Deutsche Bundestag sich in einer mit breitester Mehrheit angenommenen Resolution für ein Denkmal für die polnischen Opfer des Zweiten Weltkriegs und der deutschen Terrorherrschaft ausgesprochen hat, das im Zentrum Berlins errichtet werden soll. Das gemeinsame Gedenken in Breslau war der Auftakt zu einer positiven Wende in den deutsch-polnischen Beziehungen. Und das ist etwas sehr, sehr Schönes.

Radio Vatikan: Also ein Gedenken, das sogar in die heutige Politik hineinreicht… Heute ist dieser Briefwechsel ja auch Thema bei einer hochrangig besetzten Konferenz an der Gregoriana. Welche Erwartungen haben Sie?

Abraham: Wir erhoffen uns natürlich durch diese Konferenz, die übrigens auf Initiative und Einladung der beiden Botschafter Deutschlands und Polens am Heiligen Stuhl organisiert wurde, Beachtung dieser für diese beiden Nationen sehr wichtigen Geschehnisse. Und ich möchte dazu gemeinsam mit der ehemaligen polnischen Premierministerin Hannah Suchocka, mit der ich ein Panel leiten werde, meinen Beitrag leisten. Das Ziel ist, auch hier, in Rom und am Heiligen Stuhl, ein Licht zu werfen auf diesen besonderen Abschnitt der deutsch-polnischen Geschichte.

Radio Vatikan: Was ist Ihr Wunsch als Beauftragter der deutsch-polnischen Beziehungen für die nächsten Wochen?

Abraham: Ich hoffe, dass wir in dieser Atmosphäre weiterarbeiten können. Wir stehen vor enormen Herausforderungen, sowohl was die die jeweiligen Politiken betreffen, aber auch Europa insgesamt. Das Gift des Nationalismus ist überall zu entdecken, und wir müssen uns besinnen, dass dieser Nationalismus dazu geführt hat, dass die Völker sich so entsetzlich bekriegt haben. Und wir müssen sehr genau aufpassen, dass da nicht etwas kaputt geht - von innen und von außen.

Ein Zeichen gegen Krieg und Zwist

Die Veranstaltung an der Gregoriana-Uni wurde gemeinsam durch die deutsche und polnische Botschaft beim Heiligen Stuhl organisiert – eine Zusammenarbeit, die auch das gegenseitige Kennenlernen und Verständnis füreinander auf ungeahnte Weise bereicherte, wie wir erfahren konnten. Für den deutschen Botschafter Bruno Kahl war es ein großes Anliegen, die Initiative, die noch auf seinen Vorgänger im Amt zurückging, mit Schwung weiterzuführen:

„Ich finde, dass die Erinnerung gerade in diesen Zeiten Not tut. Die Versuchung, den Verlockungen des Nationalismus zu erliegen, nehmen zu. Tagtäglich wird an Emotionen appelliert, die eher ungute Kräfte wecken. Das führt zu Streit, das führt zu Auseinandersetzungen, es kann auch zum Krieg führen. Und die Bischöfe haben vor 60 Jahren ein Zeichen gesetzt, wie man dem entgegenwirken kann“, so Botschafter Kahl. Allein die Erinnerung daran sei selbst wieder eine Hilfe dabei, „sich auf das Richtige und auf das Friedvolle zu besinnen“, zeigt sich der Diplomat überzeugt. Auch könne sie sogar in der heutigen Politiklandschaft zu konkreten und unmittelbaren Fortschritten führen, „zum Beispiel in einer Aufhellung des Klimas zwischen deutschen und polnischen Vertretern, zwischen deutschen und polnischen Regierungen“, bemerkt er:

„Wir müssen in diesen Tagen alles dafür tun, dass nicht die Brandstifter Auftrieb kriegen, die wieder Feuer legen zwischen den Nationen, sondern dass die Friedensstifter Oberwasser kriegen. Dazu sind die Appelle der Kirche vor 60 Jahren die richtigen Initialfunken gewesen, und sie sind es heute wieder. Und da brauchen wir nur auf Papst Leo zu hören, um festzustellen, welche Kraft auch in der Friedensbotschaft gerade der Kirche in diesen Tagen liegen kann.“

Bruno Kahl, deutscher Botschafter beim Heiligen Stuhl
Bruno Kahl, deutscher Botschafter beim Heiligen Stuhl

(vatican news - cs)

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09. Dezember 2025, 14:47