Berlins Kathedrale - ein Jahr nach der Wiedereröffnung
Gudrun Sailer - Berlin
Ein lichtdurchfluteter, nicht zu großer, runder, weißer Raum, überspannt von einer Kuppel. In der Mitte ein halbkugelförmiger Altar, hinten gut sichtbar das Allerheiligste. Aufs Wichtigste reduziert ist dieser Kirchenraum, sein warmes Weiß ohne Schatten lässt bei der Liturgie jede andere Farbe leuchten. Wer die Kathedrale von Berlin betritt, steht in einem Raum, der wirklich zur Ruhe kommen lässt. Die Gestaltung mag ungewöhnlich sein und sparsam – aber sie führt zum Kern, sagt Heiner Koch, der Erzbischof von Berlin.
„In Bezug auf die Kathedrale war es ein Jahr, in dem wir gelernt haben, in dieser Kathedrale zu leben und Gottesdienst zu feiern. Vor allen Dingen bin ich dankbar, dass man in ihr wirklich als synodale Kirche – denn das ist keine Verfassungsfrage, sondern eine sakramentale Frage - Christus ist in der Mitte sieht. Christus ist in der Mitte, wir sind als Volk Gottes um diesen Christus, wir sind geschützt und gestützt von dieser Kirche und von diesem Segen der Kuppel.“
Gemeinde mit Gesichtern
Das Volk Gottes einschließlich Priester rund um die Mitte, rund um Christus, rund um den Altar. Konzentrisch rund sind auch die Bänke mit ihren Einzelsitzen: Beim Gottesdienst sitzen die Gläubigen jeder auf einem eigenen, unverrückbaren Platz, weil jeder für sich von Gott geschaffen ist, einzeln und unverwechselbar. Die Gesichter der Mitfeiernden sehe ich über den Altarraum hinweg, in einiger Entfernung. Die Rücken, die Flanken, die Gesichter, und alle sind ausgerichtet auf eine Mitte: Zusammen sind wir die feiernde Gemeinde, versammelt um Christus.
Rundkirchen gehören zum klassischen Repertoire der sakralen Architektur, waren aber von Anfang an selten. Die katholische Berliner St. Hedwigs-Kathedrale entstand Mitte des 18. Jahrhunderts nach dem Vorbild des Pantheons in Rom. Ihr Zustand machte in den vergangenen Jahren eine Sanierung erforderlich, die innen zu einer Umgestaltung geriet. Erzbischof Koch bezog von Anfang an die Gläubigen mit ein, und über viele Jahre reifte eine gemeinsame Entscheidung, die die meisten Gläubigen überzeugte. „Ich hätte es nicht gegen die Mehrheitsentscheidung gemacht", sagt er.
„Eine Gruppe war unentschieden, die anderen haben sich alle für die Neugestaltung ausgesprochen, und zwar zum Teil sehr deutlich. Das war für mich der Grund, voranzugehen. Meine eigene Überzeugung war: Dies ist eine große Chance für die feiernde Gemeinde, das Bistum aber vor allem im Hinblick auf die vielen Menschen, die nicht an Gott glauben. “
St. Hedwig ist ein Renner
Berlin ist eine stark säkularisierte Metropole. Zwei von drei Menschen in der deutschen Hauptstadt bekennen sich zu keiner Religion. Doch die Kathedrale auf dem Bebelplatz in Berlin-Mitte zieht viele an. Seit ihrer Wiedereröffnung vor einem Jahr kamen 400.000 Menschen, sagte der Dompropst Tobias Przytarski. Sankt Hedwig ist ein Renner.
„Jetzt nach einem Jahr können wir feststellen: Das ist eine einladende Geste“, hält die Dombaumeisterin Elena Cenci fest. Die italienische Architektin leitete den Umbau der Berliner Kathedrale und sieht in ihrer neuen Gestalt die Offenheit der Kirche gespiegelt. „Zunächst erstmal durch das Portikus als Eingangsbereich, wo wir uns öffnen zur Stadt, wo wir durch diese große Glasportale die Menschen wirklich einladen. Und dann auch mit dieser Anordnung der Sitzplätze der Gemeinde um den Altar herum. Diese Gesten und diese Wegführungen heißt willkommen. Man kann von einer freundlichen Innenraumsituation den Menschen gegenüber sprechen - auch für diejenigen, die uns nicht unbedingt als Gläubige besuchen.“
Erster Dombaumeister für St. Hedwig: Elena Cenci
Cenci stammt aus Livorno und kam als Teenager gleich nach dem Abitur ins damals noch geteilte Berlin vor der Wende. Sie studierte Architektur auch in Venedig, doch es zog sie zurück an die Spree, weil „in dieser Stadt spannende Aufgaben auf mich gewartet haben - spannende Aufgaben in einer Phase, wo die Stadt durch die Wiedervereinigung wieder zu einer Großstadt geworden ist und wo für Architekten eine sehr intensive Zeit, auch viele Anregungen waren.“
An Museums- und Hotelbauten, auch an Wohnhäusern hat Elena Cenci mitgearbeitet. Aber ihr längstes Engagement war das für Sankt Hedwig. „Was mich an dieser Aufgabe reizt und das auch von Anfang an getan hat, ist die Tatsache, dass es sich um eine katholische Kirche handelt. Ich fühle mich auch persönlich und als gläubige Katholikin berührt von dieser Aufgabe. Und das ist eigentlich die wichtigste Voraussetzung meiner Arbeit hier.“
(vatican news – gs)
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