Appell zum Fürsorgetag: Herausforderungen endlich angehen
Birgit Pottler und Stefanie Stahlhofen - Erfurt/Vatikanstadt
„Mit starker Stimme das Soziale gestalten“ ist das Motto des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V., der beim ersten Deutschen Fürsorgetag 1880 gegründet wurde. Ziel ist der Dialog zwischen Politik, Wissenschaft und Praxis. Seit 1919 wird der Kongress nun alle drei Jahre von dem Verein ausgerichtet.
Große Herausforderungen...
Präsidentin Irme Stetter-Karp zum aktuellen Treffen in Erfurt: „Unser dringlichstes Anliegen als Deutscher Verein ist, dass die deutsche Sozialpolitik, also die Bundespolitik, nicht länger wartet, sondern endlich ins Handeln kommt – angesichts der großen Herausforderungen, die wir haben: Demografie, alternde Gesellschaft, Digitalisierung, hoher Bürokratisierungsaufwand in der sozialen Arbeit. Das sind nur die dringendsten Baustellen. Kleinere Reformen gab es zwar immer wieder, doch jetzt sind wir an einem historischen Punkt, an dem größere, stärkere Schritte notwendig sind."
... beherzt angehen
Mit Blick auf den 83. Deutschen Fürsorgetag, bei dem sich in Erfurt rund 1.400 Akteure der Sozialpolitik, des Sozialrechts und der sozialen Arbeit austauschten, erklärt Stetter-Karp, man wolle ein Forum bieten und ein Beispiel für Konsensfindung durch Empfehlungen und Stellungnahmen.
„Natürlich gibt es auch bei uns konträre Positionen, konträr aufgestellte Mitglieder: Kommunen als Leistungsträger, zum Teil Financiers, und gleichzeitig die Wohlfahrtsverbände als soziale Dienstleister. Auch da gibt es natürlich Spannungen und unterschiedliche Einschätzungen. Aber entscheidend ist, miteinander eine Lösung zu suchen. Wir werden sie auch finden, wenn wir genug Willen und Bereitschaft haben. Deshalb wünschen wir der Bundesregierung, dass sie die notwendigen Schritte beherzt angeht."
Arbeit für Bedürftige soll besser gewürdigt werden
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte am Dienstag den Fürsorgetag in Erfurt eröffnet und erklärt, der Sozialstaat müsse schnell, „effizienter und bürgerfreundlicher" werden. Der Sozialstaat habe „unser Land zu dem gemacht, was es ist“ und „den beispiellosen wirtschaftlichen Aufstieg, die stabile Demokratie und den sozialen Frieden der letzten Jahrzehnte möglich gemacht“, betonte Steinmeier in seiner Eröffnungsrede. Jede Reform solle auch die Arbeitsbedingungen jener verbessern, „die sich täglich um Arme und Bedürftige kümmern“. Deren Dienst sei „wertvoll und unverzichtbar“ und sie verdienten die Anerkennung, den Respekt und die Unterstützung der ganzen Gesellschaft. Steinmeier wörtlich: „Sie alle machen unser Land zu einem menschlicheren Ort.“
Der Arbeitsmarkt und Arbeitsbedingungen sind auch für Stetter-Karp ein wichtiges Thema:
„Wenn wir Menschen in Erwerbsarbeit qualifizieren, gilt das auch für die Frage der Zugewanderten, also die Migrationspolitik, die ja stark polarisiert ist, dann gewinnen wir. Heute Morgen hat ein Volkswirtschaftler im Hauptvortrag gezeigt: Das rechnet sich für den Staat. Deshalb sagen wir: Es gibt die Möglichkeit, die jetzige Situation zu verbessern, und das muss entschieden angepasst werden."
Auch Kirchen leisten wichtigen Beitrag
Stetter-Karp ist nicht nur die Präsidentin des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V.. Sie kommt aus der katholischen Sozialarbeit und ist auch Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK).
„Die Kirchen leisten in der Fläche einen wichtigen Beitrag: in Kindertagesstätten, je nach Bundesland unterschiedlich in der Krankenhauslandschaft, besonders auch in Hospizen, für Bereiche, die lange nicht ausreichend finanziert waren. Ich will aber die Leistung aller anderen Akteure nicht schmälern, denn wir haben starke Wohlfahrtsverbände. Auch im internationalen Vergleich kann sich unsere Landschaft sehen lassen."
Papst Leo XIV. setzt ebenfalls auf Synodalität
„Wir freuen uns sehr, dass Papst Leo den Kurs seines Vorgängers Franziskus in dieser Frage hält und die synodale Kirche als einen Weg in die Zukunft des 21. Jahrhunderts bestätigt. Das hilft uns natürlich auch in unseren internen kirchenpolitischen Auseinandersetzungen. Gleichzeitig bin ich zurückhaltend, ihn schon festlegen zu wollen. Seine erste Enzyklika wird etwas erkennen lassen, wie er in der Frage, die er auswählt, sich positioniert. Ich finde bemerkenswert, wie er sich in der Friedensfrage international von der ersten Stunde seiner Amtszeit an befindet. Das ist sicher eine ungemein schwere Aufgabe in der jetzigen geopolitischen Situation. Erstmal freuen wir uns, dass er im Amt ist und wünschen ihm tausend Glück für diese Aufgabe."
Für den weiteren Dialog mit dem Vatikan ist sie ebenfalls guter Dinge:
„Wir freuen uns auch darüber, dass wir mit verschiedenen Dikasterien jetzt schon zwei-, dreimal Gespräche hatten. Das setzen wir fort, wir suchen die Gelegenheit. Da unterstützt uns auch die Deutsche Botschaft im Vatikan. Wir hoffen, dass wir weiter im Dialog sein können, und wir bilden uns auch nicht ein, das betone ich nochmal, weil das immer wieder uns zugeschrieben wurde: Wir haben uns nie eingebildet, dass wir der Maßstab sein würden für andere Länder, oder dass wir für andere Länder die Lösungen hätten. Wir suchen Antworten für die Situation in unserer Ortskirche."
(vatican news - sst)
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