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Jesiden in der irakischen Provinz Duhok, Mitte April 2024 Jesiden in der irakischen Provinz Duhok, Mitte April 2024 

D: Die Jesiden – integriert, verunsichert, traumatisiert?

Das Jesidentum ist eine kleine, sehr alte Religion. Seine Heimat ist hauptsächlich im Irak, in der Türkei und in Syrien. Die Jesiden glauben an sieben Engel. Melek Taus, der Engel Pfau, ist der wichtigste von ihnen und gilt als Stellvertreter Gottes. Was die weltweit mehr als eine Million Jesiden glauben, ist nur mündlich überliefert. Eine heilige Schrift wie in den großen monotheistischen Religionen gibt es nicht.

Michael C. Hermann - Stuttgart

2014 überfiel der Islamische Staat (IS) die Jesiden im Nordirak, ermordete sehr viele, verschleppte und vergewaltigte die Frauen. Dies war bei weitem nicht der erste Genozid in der Geschichte des Jesidentums. Eine Tagung in der Katholischen Akademie Stuttgart thematisierte, wie es den Jesiden in ihrer alten Heimat und in Deutschland, ihrer neuen Heimat, geht.

Maher Abdu ist Vorstand des Kulturvereins Ezidische Sonne Stuttgart. Spricht er über seine Religion, kommt er sofort auf die Situation der vielen vom Islamischen Staat Verschleppten zu sprechen: „Die Situation ist, dass wir nicht wissen, ob sie noch am Leben sind, ob sie in Massengräbern sind oder in Kämpfe verwickelt sind. Es ist für die Angehörigen sehr schwierig, mit dieser Ungewissheit leben zu müssen.“

Jesiden in Deutschland - ein Hintergrund-Bericht von Radio Vatikan

Der 74. Völkermord

Den Mord an den Jesiden hat Deutschland im Jahr 2023 als Genozid anerkannt. Er gilt als der 74. Völkermord an den Jesiden, sagt Maher Abdu. Die Belastung der Jesiden, die in Deutschland Schutz gefunden haben, sei oft extrem: „Sie warten auf Nachrichten aus Bagdad. Wenn es einen DNA-Abgleich gibt, dann fliegen sie hin, um ihre DNA mit den Skeletten aus den Massengräbern zu vergleichen. Es sind ca. 2.700 Menschen, deren Schicksal weiterhin ungewiss ist.“

Jihan Alomar kam als Kind nach Deutschland. Sie wurde, wie so viele andere, vom IS entführt. Von ihrem Vater hat sie seit elf Jahren nichts gehört, von ihrem Bruder seit über fünf Jahren. 24 Jahre ist dieser jetzt alt. „In der Schule passiert mir immer wieder, dass muslimische Mitschüler mich als Teufelsanbeterin bezeichnen oder als Muslimhasserin abstempeln, weil ich über den IS berichte und sage, was der IS gemacht hat und wie schlimm diese Terrororganisation ist“, sagt Jihan Alomar. Sie lebt in Tübingen, macht gerade ihr Fachabitur und engagiert sich für die Interessen der Jesiden. „In letzter Zeit ist es nicht so häufig vorgekommen wie die ersten zwei, drei Jahre, als ich in Deutschland war. Mir wurde auch gesagt: Geh zurück dorthin, wo du herkommst, ich würde Deutschland ausnutzen. Das finde ich sehr schade.“

Jesiden 2014 auf der Flucht vor den Terroristen des Islamischen Staats im Irak
Jesiden 2014 auf der Flucht vor den Terroristen des Islamischen Staats im Irak

Hartnäckige Vorurteile

Die Vorurteile und die Falschinformationen über die Jesiden halten sich hartnäckig. Der Teufel wird definitiv nicht angebetet. „Der Islamische Staat hat das ja als zentralen Aspekt für den Einmarsch in das Hauptsiedlungsgebiet der Jesiden herangezogen mit der Begründung, Jesiden sind Ungläubige, Anbeter des Bösen. Und deshalb sollen sie auch getötet und vernichtet werden“, berichtet Sefik Tagay. Er kam mit acht Jahren nach Deutschland und ist heute Professor für Psychologie und Psychosomatik. „Das war vielfach die Grundlage für Verfolgung, Vertreibung und Vernichtung, wie wir das bis in die Gegenwart hinein sehen können.“

Vor 67 Jahren kamen die ersten Jesiden im Rahmen des Anwerbeabkommens mit der Türkei nach Deutschland. Ilyas Yanc vom Landesverband der Eziden in Niedersachsen betont, wie gut sich diese Jesiden in Deutschland integriert haben. Und er ist stolz, dass die Jesiden mit Deniz Undav sogar einen Fußball-Nationalspieler stellen. „Ich bin mal gefragt worden, ob die Jesiden ein heiliges Buch haben. Ich habe gesagt: Für uns ist das heilige Buch das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Dabei bleibe ich auch.“

„Sie kommen aus den Lagern nicht raus“

Für viele Jesiden unverständlich ist, dass aktuell deren Ausweisung aus Deutschland ein Thema ist. Aus dem Deutschland, das den Genozid an den Jesiden anerkannt hat. Das empört auch Michael Blume, den Antisemitismusbeauftragten Baden-Württembergs. Er hat 2014 wesentlich mitgeholfen, über 1.000 schwer traumatisierte Frauen und Kinder nach Deutschland zu holen. „Im Irak selbst sind die Jesiden von Assimilation bedroht. Man spricht vom kulturellen Genozid. Sie kommen aus den Lagern nicht raus. Sie werden unter Druck gesetzt, muslimisch zu werden. In Deutschland haben sie Angst, abgeschoben zu werden“, erläutert der Antisemitismusbeauftragte. „Und deshalb habe ich persönlich die Entscheidung getroffen, dass solange der Bundestag nicht umsetzt, dass er den Genozid einstimmig anerkannt hat, dass ich solange das Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland nicht annehmen werde.“

Das Bundesverdienstkreuz bekommen und angenommen hat Professor Jan Ilhan Kizilhan. Der Psychotherapeut hat sich zusammen mit Blume für die Traumatherapie der Jesidinnen in Deutschland eingesetzt. „Die deutsche Bundesregierung und das Parlament haben 2023 den Genozid anerkannt. Damit geht man ja auch eine Verpflichtung ein. Und man kann dann nicht die Jesiden in ein genozidales Umfeld zurückschicken, in dem sie keine Überlebenschancen haben.“ Die Region Sindschar sei komplett zerstört. „Insofern plädiere ich und kämpfe ich mit aller Macht dafür, dass Jesiden einen sicheren Aufenthalt in Deutschland bekommen, damit sie hier endlich mit ihrem Trauma umgehen können und hier eine Zukunft mit ihren Kindern haben.“

Weitere Informationen zu der Tagung in der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart finden Sie hier.

(vatican news)

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10. April 2025, 10:34
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