Emmaus, oder: „Es gibt keinen hoffnungslosen Fall für Gott“ (4)
Gudrun Sailer – St. Pölten
Wie viele Geschichten der Auferstehung Karl Rottenschlager aus der Nähe gesehen hat – er weiß es nicht mehr, unzählige. Die Suchtkranken, die in ein Leben ohne Abhängigkeit und Gewalt zurückfanden, die Frauen, die von Alkohol und Prostitution wegkamen, die jungen Muslime, die aufhörten, Hasspredigern auf den Leim zu gehen und den Gott des Friedens entdeckten: Diese Erzählungen des Lebens sprudeln aus Rottenschlager nur so heraus.
Was aber gibt Hoffnung, dass aus Bildern des Erniedrigung Erzählungen des Lebens werden können? Was gibt Hoffnung, wenn Menschen am Boden sind, zerbrochen, allein, oder voll Hass, scheinbar ohne Aussicht auf Heilung?
„Aus meiner persönlichen Überzeugung und biblisch gesehen: Letztlich ist Jesus der Grund unserer Hoffnung“, antwortet Rottenschlager. „Menschlich betrachtet mag sein Leben gescheitert wirken, dort am Kreuz, aber durch Kreuz und Auferstehung wurde der Welt Hoffnung geschenkt, nach der die Welt schreit. Wir in Emmaus sagen oft: Jede Provokation ist ein Schrei nach Liebe.“
Mehrmals hat Rottenschlager Schwester Emmanuele getroffen, eine französische Ordensfrau, die in Kairo bei den Müllmenschen lebte. „Wir haben sie gefragt, wie sie das aushält, und sie sagt jedesmal: ,Alles in meinem Leben ist Teil der Passion Jesu, aber alles in meinem Leben ist auch Teil der Auferstehung.´ Für uns, die wir von einem Gebetsnetzwerk mitgetragen werden, ist das die alles entscheidende Erfahrung. Schon in der Studentenzeit war für mich klar, Christsein bedeutet für mich mehr als nur brav zu sein und Gebote zu erfüllen; es ist die Entdeckung Paulus vor Damaskus: Jesus ist nicht nur auferstanden, sondern er wirkt bis zur Stunde, er ist präsent in jedem Menschen, ist am Werk in jedem und er zieht uns. Wohin immer wir gehen: Christus ist schon vor uns da. Ich glaube fest dran, dass in diesem Menschen, zwar verdeckt, aber Gott am Werk ist.“
Gott am Werk, Gott unterwegs mit jedem seiner Geschöpfe. Sich das neu zu vergegenwärtigen, ist auch Anliegen des Heiligen Jahres unter dem Motto: Pilger der Hoffnung. Was sieht Karl Rottenschlager in einem solchen Gnadenjahr?
„Eine riesige Chance für die ganze Welt. Im letzten geht es darum, den Traum Gottes, den Traum, den Gott mit uns träumt, also mit allen Völkern, ernst zu nehmen und diese Zusage Gottes für uns Christen in Jesus anzunehmen. Und wie schaut dieser Traum aus? Also der Traum, den Gott mit uns träumt, ist letztlich, dass - wie Jesus in der Abschiedsrede gesagt hat - die Welt eins wird.
Jetzt können wir sagen: Das ist völlig utopisch, wenn ich nur drei Minuten Nachrichten höre, das ist ziemlich konträr. Aber wir dürfen überzeugt sein, dass jeder, ob Muslim oder Hindu, ob Jude, Christ, Buddhist oder auch Menschen nichtreligiöser Weltanschauung, so etwas sind wie ein ganz kleiner Baustein für eine geeinte Welt. Jeder von uns hat die Berufung, ob er jetzt in der Familie ist, in der Gemeinde, in der Pfarrgemeinde, Wirtschaft, Politik, mitzubauen an dieser eins werdenden Welt. Und wenn Gott uns das zusagt und wir vertrauen und unseren Teil tun, wird Gott mit uns diesen Traum erfüllen. Und darum hat jeder, glaube ich, einen großen Auftrag, Baustein zu sein, um mitzubauen an einer Welt, wo Platz ist für alle.“
Gudrun Sailer im Gespräch mit Karl Rottenschlager über die Emmausgemeinschaft in St. Pölten - Teil 4.
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Buchtipp: Karl Rottenschlager. Der Traum von Emmaus: Ein Leben für haftentlassene und benachteiligte Menschen. Biographie über den Gründer der Emmausgemeinschaft St. Pölten. Karl Vogd, Tyrolia 2024.
(vatican news – gs)
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