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Pressekonferenz in Bozen mit Bischof Ivo Muser (Mitte) Pressekonferenz in Bozen mit Bischof Ivo Muser (Mitte)  (ANSA)

Missbrauchsgutachten: Bischof Muser übernimmt Verantwortung

Das Missbrauchsgutachten hat die Diözese Bozen-Brixen erschüttert und einen tiefgreifenden Reformprozess angestoßen. Bischof Ivo Muser hat sich an diesem Freitag zu den 600 Seiten geäußert und konkrete Schritte angekündigt, um Vertrauen zurückzugewinnen.

Mario Galgano - Vatikanstadt

Die Veröffentlichung des Gutachtens zum sexuellen Missbrauch in der Diözese Bozen-Brixen am vergangenen Montag hat für Erschütterung gesorgt und einen dringenden Handlungsbedarf aufgezeigt. Erstmals liegt nun ein konkreter Überblick über das Ausmaß der Taten vor: Insgesamt 41 Priester wurden beschuldigt, 29 Fälle konnten als nachweisbar bestätigt werden, und es gibt 75 Betroffene, darunter 59 Opfer plausibler Taten.

In seiner Stellungnahme bei der für diesen Freitag anberaumten Pressekonferenz in Bozen betonte Bischof Ivo Muser: „Transparenz, Ehrlichkeit und der Mut zur Wahrheit sind unverzichtbar, um Vertrauen zurückzugewinnen.“ 

„Ich übernehme die Verantwortung für Versäumnisse während meiner Amtszeit“, erklärte der Bischof und räumte Defizite in der Kontrolle auffälliger Priester sowie bei präventiven Maßnahmen ein. Muser bat Betroffene, Pfarrgemeinden und Gläubige ausdrücklich um Vergebung. „Ich sehe dieses Gutachten als Auftrag, mit aller Entschlossenheit weiterzuarbeiten“, so der Bischof. „Ich weiß, dass Sie von mir keine Betroffenheitsrhetorik hören wollen. Zu Recht. Doch lassen Sie mich sagen, dass mich insbesondere die Falldarstellungen und das persönliche Leid, das aus dem Gutachten so deutlich hervorgeht, tief bewegt haben“, erklärte Muser.

Bischof Muser bei der Pressekonferenz an diesem Freitag
Bischof Muser bei der Pressekonferenz an diesem Freitag

Konkrete Maßnahmen und Reformen

Um die Fehler der Vergangenheit zu beheben, präsentierte der Bischof einen umfassenden Maßnahmenkatalog. Bis Ende 2025 sollen verbindliche Richtlinien für den Umgang mit Missbrauchsfällen entwickelt werden. Eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe wird alle bisherigen Fälle überprüfen, die Ombudsstelle wird gestärkt, und die Förderung einer Fehlerkultur soll ein fester Bestandteil der kirchlichen Arbeit werden.

Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Förderung von Frauen in Führungspositionen. „Wir werden die Rolle von Frauen in der Diözese weiter stärken“, versprach Muser.

Betroffenen wurde ausdrücklich angeboten, ihre Erfahrungen – ob anonym oder persönlich – zu teilen. Hierfür stehen auch unabhängige Stellen zur Verfügung.

Die Pressekonferenz mit Bischof Ivo Muser in Bozen
Die Pressekonferenz mit Bischof Ivo Muser in Bozen

Systemische Ursachen im Fokus

Generalvikar Eugen Runggaldier ergänzte die Stellungnahme mit einer Analyse der tieferliegenden Ursachen. „Missbrauch in der Kirche ist kein Einzelfallphänomen, sondern das Ergebnis systemischer Defizite“, erklärte er. Dazu zählten unreife Sexualität, die Vereinsamung von Priestern, klerikalistische Strukturen, eine mangelhafte Fehlerkultur und fehlende Transparenz.

„Missbrauch in der Kirche ist kein Einzelfallphänomen, sondern das Ergebnis systemischer Defizite.“

Zur Bewältigung dieser Probleme kündigte Runggaldier eine klare Struktur mit Ombuds-, Präventions- und Interventionsstellen an. Diese sollen nicht nur der Aufarbeitung dienen, sondern auch präventiv wirken, um zukünftigen Missbrauchsfällen vorzubeugen.

Ein Wendepunkt für die Diözese

Das Gutachten habe nicht nur das Vertrauen der Gläubigen erschüttert, sondern auch dazu angeregt, einen tiefgreifenden Reformprozess einzuleiten. Die Diözese Bozen-Brixen stehe vor der Herausforderung, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen und den Opfern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. „Es braucht Mut, Geduld und Entschlossenheit, um diese Aufgabe zu bewältigen“, resümierte Muser.

Rolle der Ombudsstelle

Das Projekt „Mut zum Hinsehen“ hat eine neue Phase eingeleitet. Gottfried Ugolini, Leiter des Projekts, präsentierte die nächsten Schritte und betonte die zentrale Bedeutung einer Veränderung in der Wahrnehmung und im Umgang mit Missbrauchsfällen innerhalb kirchlicher Strukturen. Die Steuerungsgruppe des Projekts werde die im Gutachten enthaltenen Empfehlungen prüfen und konkrete Maßnahmen für die Bereiche Seelsorge, Bildung, Caritas und Verwaltung entwickeln.

Ein zentraler Baustein des Projekts bleibe die Ombudsstelle, die weiterhin als Anlaufstelle für Betroffene diene. Zusätzlich stehe für Pfarrgemeinden und Gruppen, in denen Missbrauchsfälle bekannt wurden, ein speziell eingerichtetes Support-Team zur Verfügung. Dieses Team soll Gesprächsräume schaffen und helfen, die Dynamik und die Folgen von Missbrauch aufzuarbeiten.

Gottfried Ugolini betonte die Dringlichkeit einer Mentalitätsänderung in kirchlichen Gemeinschaften. „Hinschauen, Zuhören und Handeln müssen zur Norm werden“, erklärte er. Ziel sei es, kirchliche Einrichtungen stärker für den Schutz von Kindern und Jugendlichen zu sensibilisieren. Dafür sollen klare Regeln eingeführt und umfassendes Informationsmaterial bereitgestellt werden.

Ein weiterer Schritt in der neuen Projektphase seien zwei Zoom-Treffen, die Ende Januar 2025 stattfinden. Diese sollen den Austausch zwischen Fachpersonen und interessierten Gemeindemitgliedern ermöglichen. Das erste Treffen, in deutscher Sprache, sei für Donnerstag, den 30. Januar 2025, um 20 Uhr geplant. Teilnehmende können sich mit Generalvikar Eugen Runggaldier, der Ombudsfrau der Diözese, Maria Sparber, sowie Gottfried Ugolini austauschen. Für italienischsprachige Teilnehmer findet das zweite Treffen am Freitag, den 31. Januar 2025, um 20.30 Uhr statt. Beide Veranstaltungen werden auf der Plattform Zoom abgehalten.

Die Verantwortlichen hoffen, durch die Einleitung dieser zweiten Projektphase eine Kultur des genauen Hinschauens, Zuhörens und entschlossenen Handelns in den kirchlichen Gemeinschaften zu etablieren. Dies soll langfristig dazu beitragen, Missbrauch vorzubeugen und Betroffene wirksam zu unterstützen.

(pm)

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24. Januar 2025, 12:05